: „Todesurteil ist schon gefallen“
Tanz, Fahnen und Friedensangebote: Tausende KurdInnen demonstrieren für das Leben des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan ■ Von Elke Spanner
In langen Reihen formieren sich KurdInnen zum Tanz, ehe sie wieder „Biji Apo“ skandieren. Zwei Stunden lang wechseln sich Folklore und politische Reden ab. Dann löst sich das Fest in einen Zug durch die Innenstadt auf: Mehrere Tausend KurdInnen demonstrierten am Sonnabend in Hamburg für die Freiheit des Vorsitzenden der kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan.
„Apo“ überragt auf Hunderten von Fahnen und hochgereckten Schildern die DemonstrantInnen. „Freiheit für Öcalan“ fordern diese in Sprechchören, und: „Frieden in Kurdistan“. Viele Frauen haben sich die Haare mit rot-grün-gelben Bändern zusammengebunden oder tragen Kopftücher in den kurdischen Farben. „Eine Lösung“, ruft ein Sprecher, „kann es nur mit Abdullah Öcalan und der PKK geben. Sie sind die Vertreter des kurdischen Volkes“.
Wie Öcalan Ende Mai in seiner Prozeßerklärung betonen auch die RednerInnen auf der Demonstration ihren Willen, den 15 Jahre andauernden Krieg mit der Türkei zu beenden. „Wir demonstrieren für eine friedliche und demokratische Lösung in Kurdistan“, heißt es immer wieder. Aber auch: „Sollte die Türkei nicht bereit sein, Frieden zu schließen, werden wir uns zu wehren wissen“.
Die ersten DemonstrantInnen sind schon kurz vor dem Rathaus, als am ZOB immer noch KurdInnen darauf warten, sich endlich einreihen zu können. Die Polizei spricht nur von 4600 DemonstrantInnen, die VeranstalterInnen von über 10.000. Vom ZOB aus führt die Demo über die Mönckebergstraße bis zur Moorweide, wo bis zum Abend die Abschlußkundgebung abgehalten und gefeiert wird.
Die Initiative „Frieden in Kurdistan, Freiheit für Öcalan“, die zu der Demonstration aufgerufen hatte, geht davon aus, daß das Todesurteil für den PKK-Vorsitzenden längst gefallen ist. Auch Angelika Beer, die als verteidigungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen als Rednerin geladen ist, fürchtet: „Nicht die Freiheit für Öcalan, sondern die Verhinderung der Vollstreckung des allseits erwarteten Todesurteils ist gegenwärtig das maximal Erreichbare“. In jedem zweiten ihrer Sätze fällt das Wort friedlich. Beer will „friedlich kämpfen für Kurdistan“, und heute will sie dafür „friedlich demonstrieren“. Etliche deutsche TeilnehmerInnen verlassen demonstrativ die Kundgebung: „Ausgerechnet eine Grüne redet hier von friedlich“, schimpft einer.
Auf Transparenten wird an die deutsche Regierung, die EU und UNO appelliert, sich für das Leben Öcalans einzusetzen. Auch ein anwesender Vertreter des südafrikanischen ANC, Ebrahim Ismail Ebrahim, fordert die Europäische Union auf, eine politische Lösung durchzusetzen. Die Hamburger GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Heide Simon erinnert daran, daß Anfang des Jahres mehrere europäische Staaten das Asylgesuch Öcalans abgelehnt hatten. „Sie alle haben die jetzige Situation mitzuverantworten“. Statt der gerecht zu werden, liefere Deutschland nach wie vor Waffen an die Türkei – die auch zum „Terror“ gegen das kurdische Volk verwendet würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen