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Müller gibt AKW noch lange Zeit

■ Wirtschaftsminister Müller schlägt vor: AKWs noch 40 Jahre laufen lassen, dann erst mit dem Abschalten beginnen. Die Grünen bestehen auf Sofortausstieg  Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Am Dienstag will Gerhard Schröder mit den Chefs der vier großen AKW-Betreibergesellschaften zusammentreffen, um die noch strittigen Punkte des von Wirtschaftsminister Werner Müller vorverhandelten Atomkonsensvertrags zu klären. Eine Sprecherin des Wirtschaftministeriums bestätigte gestern, daß für Dienstag ein entsprechendes Gespräch im Kanzleramt geplant sei, betonte aber, daß die bisher in der Öffentlichkeit kursierenden Entwürfe des Konsensvertrags noch zahlreiche offene Punkte enthielten.

Über den wichtigsten Punkt des Vertrags, die Betriebszeit der Atomkraftwerke sei in den Verhandlungen von Müller mit den AKW-Betreibern noch keine Einigung erzielt worden. In des bisherigen Vertragsentwürfen steht die Zahl von 35 Betriebsjahren für alle AKW bisher noch in Klammern. 35 Betriebsjahre würden bedeuten, das in der laufenden Legislaturperiode kein einziger Atommeiler vom Netz müßte und das letzte AKW erst im Jahre 2024 abgeschaltet wird.

Zwischen SPD und Grünen, namentlich Umweltminister Jürgen Trittin, ist auch das Grundkonzept des Atomvertrags noch strittig, über den Müller in den vergangenen Wochen ohne Beteiligung des Kanzleramts und des Umweltministeriums verhandelt hat. Pararell zu dem Vertrag will Müller in das Atomgesetz eine Höchstlebensdauer für AKW von 40 Jahren Vollastzeit aufnehmen, was einer faktischen Betriebsdauer von 50 bis 60 Jahren entsprechen würde.

Müller hat zwar seine Vorschläge nicht offiziell mit dem Umweltministerium abgestimmt, aber dort hat man sie juristisch begutachet. Demnach muß einem Atomkonsensvertrag zwischen Bund und Stromversorgern der Bundesrat zustimmen, so daß der Vertrag an der CDU-Mehrheit dort scheitern könnte. Für die Aufnahme der 40 Jahre Vollastzeit in das Atomgesetz braucht es allerdings die Zustimmung der Länderkammer nicht, so daß im schlimmsten Fall bei einem Scheitern des Vertrags am Ende allein eine rechtliche Betriebsgarantie von 40 Vollastjahren für die deutschen Atommeiler Ergebnis der rot-grünen Ausstiegsbemühungen sein könnte.

Der Einigungsvorschlag des Wirtschaftsministeriums sieht außerdem die Genehmigung des Endlagers Schacht Konrad und der Pilotkonditionierungsanlage Gorleben vor. Auch das Gorlebener Atommüll-Endlager soll zunächst bis zu einem Zwischenergebnis weiter erkundet werden. Erst danach sollen die Erkundungsarbeiten mit einem Moratorium unterbrochen werden.

Von den Grünen wird die vertragliche Höchstbetriebszeit von 35 Jahren für alle AKW bisher genauso abgelehnt, wie die 40jährige AKW-Vollastlebensdauer, die nach Müllers Vorstellungen gleichzeitig gesetzlich festgeschrieben werden soll. Die Grünen einigten sich bei einem Partei- und Fraktionsspitzengespräch am vergangenem Donnerstag darauf, auf das Abschalten mehrerer Atomkraftwerke noch in dieser Legislaturperiode zu beharren.

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