: Diepgen-Denkmal statt Holocaust-Mahnmal
Bevor in zwei Tagen endgültig über die geplante zentrale Holocaust-Gedenkstätte in der Hauptstadt vom Bundestag entschieden wird, setzt sich der Regierende Bürgermeister Diepgen (CDU) schon vorab über die Entscheidung hinweg. Eine Debatte ohne Ende ■ Von Rolf Lautenschläger
Während im Streit um das geplante „Mahnmal für die ermordeten Juden Europas“ gestern im Bundestag eine Einigung über das Abstimmungsverfahren erzielt wurde, reißt Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) erneut Gräben zwischen Bonn und dem Koalitionspartner SPD auf. Danach sperrt sich Diepgen weiter gegen eine schlußendliche Entscheidung des Bundestages über das nun 10 Jahre dauernde Verfahren. Einen Beschluß des Parlaments werde er „nicht hinnehmen“. Zudem plädiert der CDU-Politiker dafür, daß der Vorschlag des Theologen Richard Schröder realisiert werden sollte. Schröder schlug vor, eine Stele mit der Inschrift „Nicht morden“ in mehreren Sprachen am Brandenburger Tor zu errichten.
Diepgens starrsinnige Haltung gegenüber der Bundestagsentscheidung sowie dem Entwurf des US-Architekten Peter Eisenman kritisierten sowohl Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) als auch Lea Rosh, Vorsitzende des Förderkreises zur Errichtung des Denkmals. In eine absurde Rolle gedrängt sieht sich Berlins Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), die am Freitag vor dem Bundestag auftreten will. Einerseits will sie ihre positive Haltung zur Bundestagsentscheidung vortragen. Andererseits muß sie zu erkennen geben, daß der Senat mit zwei Stimmen spricht.
Drei Tage vor der großen Bundestagsdebatte zum Holocaust-Mahnmal hatte gestern Wolfgang Thierse (SPD) die Einigung über das Abstimmungsprocedere bekanntgeben können. Zunächst werde „über die Grundsatzfrage, ob es überhaupt ein Mahnmal geben soll“, entschieden, sagte Thierse. Dann gehe es um die „Widmung des Denkmals, ob es an die ermordeten Juden erinnern soll oder an alle Opfer des NS-Regimes“. Danach werde schließlich über die Gestaltung des Mahnmals abgestimmt. Dabei stehen vor allem die Verwirklichung des Konzepts des US-Architekten Peter Eisenman oder des von Richard Schröder eingebrachten Vorschlags zur Debatte. Thierse betonte, er „hoffe, daß es in allen drei Abstimmungen eindeutige Mehrheiten“ geben werde.
Scharfe Kritik äußerte Thierse an der Haltung Diepgens. „So kann man mit dem höchsten Verfassungsorgan der Bundesrepublik wirklich nicht umgehen“, betonte der Bundestagspräsident. Es gehe nicht an, daß Abgeordnetenhaus und Senat den Bundestag auffordern, in der Sache zu entscheiden, und daß dann der Regierende Bürgermeister sagt, egal wie in der Sache entschieden werde, er sei damit nicht einverstanden oder nur einverstanden, wenn die Entscheidung in seinem Sinn falle.
Auch Lea Rosh widersprach den Äußerungen Diepgens. „Dieses ist wirklich eine ungute Haltung.“ Sie halte den sogenannten Eisenman-II-Entwurf für „richtig und gut“. Nach Ansicht von Rosh wird sich die Bundesregierung über Berlin hinwegsetzen. Der Bund sei ohnehin Eigentümer des Grundstücks. Die Frage sei dann, ob Berlin die Baugenehmigung verweigern kann oder nicht. Dies werde „noch mal eine juristische, aber auch natürlich moralisch-politische Auseinandersetzung“.
In der Großen Koalition stehen Diepgen und die CDU mit ihrer Haltung nun allein da. Fugmann-Heesing vertiefte den Riß mit dem Koalitionspartner, indem sie sich gestern eindeutig für den Eisenman-Entwurf aussprach. Die Finanzsenatorin widersprach Diepgens Anti-Haltung: „Berlin wird das Votum des Bundestages respektieren und der Realisierung des Denkmals keine Hindernisse in den Weg legen.“ Sie warf Diepgen vor, er verfolge eine „persönliche“ Strategie zur Verhinderung des Mahnmals, und bedauerte, daß der Senat zu keiner gemeinsamen Position fähig sei. Als „unwürdiges Gezerre“ wertete auch SPD-Fraktionschef Klaus Böger den Diepgen-Vorstoß und forderte den Regierenden auf, sich der Entscheidung des Bundes „nicht zu verwehren“.
Absurd ist die Rolle der Berliner Finanzsenatorin. Sie selbst will das Mahnmal, muß aber zu erkennen geben, daß der Senat mit zwei Stimmen spricht.
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