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Rot-Grün macht sich stark für Gentechnik

Die deutsche Bundesregierung will die Diskussion um die Neufassung der europäischen Freisetzungsrichtlinie nutzen, um der Industrie die Zulassung von genmanipulierten Produkten zu erleichtern    ■ Von Wolfgang Löhr

Berlin (taz) – Unter dem Vorsitz von Jürgen Trittin (Grüne) haben in der vergangenen Nacht die EU-Umweltminister über die Neufassung der Freisetzungsrichtlinie 90/220 für genmanipulierte Pflanzen beraten. Dabei sollte auch über einen Vorschlag der rot-grünen Bundesregierung verhandelt werden, welcher der Gentechnik in der EU endgültig zum Durchbruch verhelfen soll.

Während sich mehrere EU-Mitgliedstaaten für eine Verschärfung der Freisetzungsrichtlinie einsetzen – einige fordern ein europaweites Moratorium – sieht der deutsche Vorschlag eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren vor: Ein zentrales europäisches Gentechnik-Amt soll in Zukunft für die Genehmigung von Gentechprodukten zuständig sein. Dadurch soll das Mitentscheidungsrecht der EU-Mitgliedstaaten umgangen werden.

Das ging selbst der EU-Umweltkommissarin Ritt Bjerregard zu weit. Sie kritisierte diesen Vorschlag als „extrem besorgniserregend“ und warnte davor, die Richtlinie zu verwässern. Dan Leskien, der Gentechnikexperte des Umweltverbandes BUND, meint: „In diesem Streit geht es letztendlich darum, daß weder Kommission noch Mitgliedstaaten künftig die Verantwortung für Gentechproduktzulassungen tragen wollen. Die „Kartoffel“ Gentechnik sei ihnen allen zu heiß. Kritik äußerte der BUND-Sprecher auch an der ablehnenden Haltung der deutschen Bundesregierung gegenüber dem Vorschlag des Europäischen Parlaments, die Verwendung sogenannter Antibiotikaresistenzgene in der Pflanzenzucht zu verbieten. Dan Leskien: „Dabei hat sie in der Koalitionsvereinbarung noch den Schutz von Mensch und Umwelt im Gentechnikrecht besonders hervorgehoben.“

Für wenig aussichtsreich werden die Vorschläge Frankreichs und Griechenlands angesehen, vorerst keine neuen Zulassungen für genmanipulierte Pflanzen mehr zu erteilen. Zwar haben unter anderen Dänemark, Finnland und Italien signalisiert, diese Vorschläge zu unterstützen. Aber eine Mehrheit wird es dafür im Ministerrat voraussichtlich nicht geben. Denn auch in diesem Fall haben sich bereits Deutschland sowie die Niederlanden und Großbritannien gegen diesen Vorschlag ausgesprochen.

Enttäuschung über die rot-grüne Gentechnikpolitik äußerte sich neben dem BUND auch Greeenpeace. Beide Umweltorganisationen fordern seit längerem, Gentechpflanzen grundsätzlich nicht mehr auf offenen Feldern auszusetzen. Die Hoffnung, daß die rot-grüne Regierung diese alte Forderung aufgreift, ist aber inzwischen geschwunden.

Formal ist in Deutschland die grüne Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer federführend für die Gentechnik zuständig. Bei der Formulierung des deutschen Vorschlags konnte sich die Ministerin aber nicht gegen die SPD-geführten Ministerien für Wirtschaft und Forschung durchsetzen. Zunehmend wird die deutsche Gentechnikpolitik im und Forschungsministerium bestimmt. Und dort wird der Kurs der Kohl-Regierung „pro Gentechnik“ beibehalten: Die Ministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Buhlmann, läßt kaum eine Gelegenheit aus, für mehr Akzeptanz bei der „grünen Gentechnik“ zu werben.

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