: Häftlinge nach Serbien verschleppt
■ Internationale Organisationen sorgen sich um das Schicksal mehrerer verschwundener politischer Gefangener aus dem Kosovo
Bis zu 3.000 Kosovo-Albaner sind nach Angaben von Anwälten des UNHCR und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) beim Abzug der serbischen Streitkräfte aus Gefängnissen im Kosovo in jugoslawische Haftanstalten verschleppt worden. Die Angaben ergäben sich aus Berichten der Angehörigen von vermißten Kosovo-Albanern. Darunter seien zahlreiche politische Häftlinge. IKRK-Sprecher Urs Boegli sagte: „Wir machen uns Sorgen um das Schicksal dieser Gefangenen.“
Das IKRK sieht es als schweres Versäumnis, daß in dem Abkommen über den serbischen Abzug aus dem Kosovo nicht festgelegt wurde, daß Beobachter vorher die Gefängnisse inspizieren können. Ermittler des UN-Kriegsverbrechertribunals fanden die Haftanstalten von Pec, Pritina, Istok, Lipljan und Vucitrn leer vor. Jetzt werden mehrere prominente Intellektuelle vermißt, darunter Albin Kurti, der Organisator von friedlichen Studentenprotesten in Pritina, der Publizist Halil Matoshi und Ukshin Hoti, Vorsitzender der albanischen Oppositionspartei Unikomb.
Vermißt wird außerdem die als „Mutter Flora“ bekannte Leiterin eines Waisenhauses und einer Krankenstation in Pritina, Flora Brovina. Sie war am 20. April von serbischen Polizisten festgenommen und ins Gefängnis von Lipljan gebracht worden. Am 9. oder 10. Juni ist sie nach Angaben ihres Ehemannes ins Gefängnis von Pozarevac bei Belgrad verschleppt worden. Ihr werde vorgeworfen, von ihrem Waisenhaus aus die UÇK über Jahre hinweg mit Lebensmitteln, Schuhen und Kleidung versorgt zu haben. Ihre Nähkurse hätten den Zweck gehabt, Pullover und wollene Tarnmasken für Kämpfer der Untergrundarmee herzustellen.
Am vergangenen Sonntag forderten Kosovo-Albaner in Prizren neben dem Hauptquartier der deutschen KFOR-Einheiten Hilfe für Verschleppte. „Wir rufen die internationale Gemeinschaft um Hilfe, weil 290 Männer am 9. Juni von Prizren nach Serbien ins Gefängnis von Prokuplje entführt wurden und dort gefoltert werden“, erklärten die Demonstranten. Am Freitag davor hatten Demonstranten auch in Djakovica Aufklärung über das Schicksal verschleppter kosovo-albanischer Männer gefordert. Serbische Einheiten hätten vom 7. bis zum 10. Mai mehr als tausend Männer festgenommen, deren Verbleib weiterhin ungeklärt sei, teilten sie mit. In Prizren war bekanntgeworden, daß abziehende serbische Einheiten Häftlinge auf einem Lastwagen verschleppen wollten. sf
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen