Aufs falsche Gleis gesetzt

Verkauf von 5100 Eisenbahner-Wohnungen in Hamburg droht. Mieterverein und Gewerkschaft werfen der Stadt Tatenlosigkeit vor  ■ Von Gernot Knödler

Um die Löcher im Staatshaushalt zu füllen, will die Bundesregierung mehr als 5100 Eisenbahner-Wohnungen in Hamburg verkaufen. Der Mieterverein zu Hamburg und die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) befürchten, daß durch den Verkauf die Mieten steigen und die heutigen BewohnerInnen mit ihren niedrigen bis mittleren Einkommen verdrängt werden. „Wir haben Angst, daß wir verkloppt werden und dann Freiwild sind“, so Mieter Walter Mahrt gestern auf einer Pressekonferenz des Mietervereins.

Bereits die frühere Bundesregierung hatte den Verkauf von bundesweit 113.000 Eisenbahnerwohnungen beabsichtigt, war aber am Widerspruch des Hauptpersonalrats des Bundeseisenbahnvermögens gescheitert. Die neue rot-grüne Bundesregierung will nun durch ein Schlichtungsverfahren diese Pläne umsetzen. Eckard Pahlke, Vorsitzender des Mietervereins, und GdED-Regionalsekretär Johann Reis prophezeien drastische Mieterhöhungen für den Fall, daß die Wohnungen verkauft werden. „Wer kauft die denn?“ fragte Pahlke, um sich selbst die Antwort zu geben: Wer Rendite machen wolle.

Den Versprechungen der Politik und der Käufer gegenüber den jetzigen Mietern sei nicht zu trauen: „Fast die Hälfte aller Mieter räumt nach einem Jahr das Feld“, weiß Pahlke. Die Erfahrungen mit den Neue-Heimat-Wohnungen hätten gelehrt, daß den Vermietern viele Schikanen zur Verfügung stünden, um Mieter rauszuekeln und zu höheren Preisen neu zu vermieten.

„Es geht ja nicht um Privilegien, die die Eisenbahner haben“, sagte Reis, „das haben wir erstritten!“ Die günstigen Wohnungen seien Ergebnis der Tarifpolitik der Gewerkschaft und dürften deshalb nicht verkauft werden, erst recht nicht zu dem geplanten Spottpreis.

Reis warf der Hamburger Politik vor, „bis heute nicht reagiert“ zu haben – obwohl die Leute, die ihre Miete nicht mehr bezahlen könnten, am Ende bei den Sozial- und Wohnungsämtern der Hansestadt landen würden. Es sei widersinnig, daß die Stadt Millionen für die soziale Stadtteilentwicklung ausgebe und es gleichzeitig zulasse, daß die Eisenbahnersiedlungen in Eidelstedt, Othmarschen, Wilhelmsburg, Hamm und Horn mit mehr als 10.000 BewohnerInnen kaputtgemacht würden, zürnte Wilfried Lehmpfuhl vom Mieterverein.

„Hamburg kann nicht für Fehlentwicklungen, die durch die vorherige Bundesregierung verschuldet sind, eintreten“, wehrte SPD-Bausenator Eugen Wagner gegenüber der taz hamburg ab. „Ich hoffe, daß die Verantwortlichen eine für die Mieter angemessene soziale Lösung finden.“ Im übrigen sei die Stadtentwicklungsbehörde zuständig.

Mietervertreter Lehmpfuhl hatte angeregt, der Senat solle eine Soziale Erhaltungsverordnung für die Bahnsiedlungen erlassen, um Kaufinteressenten abzuschrecken. Aus der Stadtentwicklungsbehörde war zu hören, das wäre kompliziert und teuer. Zuständig sei im übrigen der Wohnungsbaubeauftragte des Senats. Der sitzt in der Baubehörde.