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Treckerfahren wird teurer

Bauern müssen künftig auf rund eine Milliarde Mark Subventionen verzichten. Strukturell ändert sich wenig  ■   Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Bauern sind schlau, sagt ein Sprichwort. Obwohl die Zahl der Landwirte sinkt und auch die ökonomische Bedeutung des Sektors abnimmt, gelang es der Agrarlobby jahrzehntelang, die Finanzhilfen aus der Staatskasse zu verteidigen. 57.000 Mark im Jahr kostet gegenwärtig jeder Hof den Staat, behauptet der Bund der Steuerzahler. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet pro Arbeitsplatz mit knapp 12.000 Mark.

Beim ersten Steuerpaket der neuen Regierung schafften es die Bauern noch einmal, fast sämtliche Abstriche in ihrem Bereich zu verhindern. Und auch der Berliner EU-Gipfel verlief für sie ganz gut: Vom ursprünglichen Reformplan des EU-Kommissars Fischler, der für die EU-Osterweiterung die Agrarhilfen abspecken wollte, blieb dank deutscher Verhinderungstaktik wenig übrig.

Doch wie es scheint, kommen bei den aktuellen Sparplänen auch die Bauern nicht mehr ohne Einbußen davon. Zum einen will Finanzminister Hans Eichel die Gasölverbilligung kappen – ein Privileg, das die Landwirte nunmehr seit 1967 genießen. Über 800 Millionen Mark im Jahr zahlen die deutschen SteuerzahlerInnen laut Subventionsbericht der Bundesregierung, weil die Dieselkraftstoffe in anderen EU-Ländern billiger sind als hierzulande und den deutschen Landwirten dadurch Wettbewerbsnachteile haben sollen. Ab 2003 soll nun damit Schluß sein, so der Plan des SPD-Ministers. Auch den Zuschuß für die landwirtschaftliche Unfallversicherung will Eichel um 115 Millionen Mark jährlich kürzen. Zur Zeit gibt es dafür 615 Millionen Mark im Jahr aus der Staatskasse. Begründung: Auch andere Wirtschaftszweige kämen ohne derartige Unterstützung aus.

Schließlich steht auch noch eine kleine Beschränkung des seit 1922 bestehenden Branntweinmonopols auf Eichels Liste, das den deutschen Herstellern bisher eine kostendeckende Übernahme ihrer Produktion garantiert. 300 Millionen Mark zahlen die SteuerzahlerInnen bisher für die Aufrechterhaltung dieser nicht konkurrenzfähigen Struktur. Eichel will hier zunächst 30 Millionen streichen, ab 2003 dann 90 Millionen. Das Prinzip aber bleibt.

Viele ihrer Privilegien werden die Bauern behalten können. Ihr Alterssicherungssystem kostet den Bund jährlich auch weiterhin etwa 9,2 Milliarden Mark. Und die Förderung von Agrarinvestitionen, Flurbereinigung, Verbesserung der Marktstruktur, Anpassungshilfen für ältere Arbeitnehmer und noch allerlei andere Finanztöpfe summieren sich immerhin auf 700 Millionen Mark. Fast 400 Millionen Mark Steuervergünstigung genießt der Sektor durch eine Einkommenssteuerveranlagung nach Durchschnittssätzen. Dazu kommen Steuerfreibeträge, die für andere Berufsgruppen nicht gelten. Einnahmeausfall: 300 Millionen Mark jährlich. Auch bei Viehversicherungen hält sich der Fiskus seit 1922 außen vor, und für Zugmaschinen gibt es seit 1935 keine Kfz-Steuer.

Doch die wichtigsten Entscheidungen fallen eh in Brüssel: Etwa 13 Milliarden Mark an Zuschüssen kommen von dort. „Ein Blick auf einzelne Agrarsubventionen zeigt, daß das System zum bürokratischen Selbstzweck zu degenerieren scheint“, urteilt das Institut für Weltwirtschaft in Kiel. „Zahlreiche Maßnahmen widersprechen sich.“ So gibt es nicht nur Garantiepreise für Milch, was deren Produktion ankurbelt, sondern auch Beihilfen für die Stillegung der Milcherzeugung. Und natürlich kann auch derjenige mit öffentlicher Förderung rechnen, der Magermilchpulver ins Futter mischt.

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