: Begegnung mit der eigenen Kultur
Türkische und deutsche Mütter waren zum gemeinsamen Besuch des Pergamonmuseums geladen. Doch fast nur Türkinnen kamen. Die immerhin begeisterten sich für die geschichtlichen Objekte ihrer Kultur ■ Von Julia Weidenbach
Eigentlich sollte es eine interkulturelle Begegnung werden: „Ausländische Mütter vermitteln deutschen Müttern ein Stück ihrer Kulturgeschichte“ – so stand es in der Presseerklärung der Ausländerbeauftragten des Bezirksamtes Schöneberg, Emine Demirbüken.
Zwar folgten der Einladung ins Pergamonmuseum 18 Türkinnen, die seit einem dreiviertel Jahr an der Schöneberger Neumark-Grundschule Deutsch lernen, aber nur eine deutsche Mutter.
Emine Demirbüken und Elisabeth Ziemer, die grüne Bezirksbürgermeisterin von Schöneberg, lassen sich die Enttäuschung nicht anmerken. Es sei ja auch ihr Ziel gewesen, den Türkinnen zu vermitteln, daß deren eigene Kultur in diesem Museum zu sehen ist, meint Demirbüken. Und Ziemer kann als gelernte Kunsthistorikerin den anderthalbstündigen Erläuterungen der Museumsführerin einiges hinzuzufügen.
Fasziniert betrachten die türkischen Frauen die alten Teppiche, Gefäße und Bauwerke. „Mein Mann hat gesagt, daß das Museum interessant ist“, erzählt die 28jährige Zübeyde Yilmaz, seit zehn Jahren Berlinerin. Doch selbst gesehen hat sie die hier präsentierten Kulturgüter aus der Türkei noch nicht. Auch für die anderen Türkinnen ist die Ausstellung neu. „Viele Frauen kommen überhaupt nicht aus ihrem Bezirk heraus“, bedauert Ziemer. Der gemeinsame Museumsbesuch sei der Versuch, ihnen das Angebot der Stadt zu vermitteln.
Doch schon im ersten Raum fragen sich die Türkinnen, wie das Angebot überhaupt zustande kam. Es ist ihnen unverständlich, wie die Türkei all diese Reichtümer verkaufen konnte. „Die Deutschen sind Diebe“, ruft Ates Gülderer und lacht dabei. Ernster ist ihr nächster Satz, den Demirbüken übersetzt: „Wenn die Deutschen so viel von unserer Kultur in diesem Museum bewundern, warum sind wir nicht besser akzpetiert?“
Der um so notwendigere interkulturelle Austausch findet nur am Rande statt: Göggöz Zeynap, seit drei Jahren in Deutschland, versucht der deutschen Mutter, Brigitte Kopitzki, Koranschriften zu erklären. Die Kommunikation ist aber schwierig, das Deutsch der Türkin ist noch sehr gebrochen. Kopitzki kannte bisher nur einige der türkischen Frauen vom Sehen – und deren Sprache überhaupt nicht.
„Ursprünglich waren 11 der 45 deutschen Müttern unserer Schüler am Museumsbesuch interessiert“, berichtet Brigitte Behrendt, Schulleiterin der Neumark-Grundschule, an der 89 Prozent der Kinder nichtdeutscher Herkunft sind. Eine offizielle Einladung der Bezirksbürgermeisterin hätte das Interesse vielleicht gesteigert, vermutet Behrendt: „Da hätten die Frauen etwas in der Hand gehabt, was sie ihren Freunden zeigen können – schaut, da mache ich mit.“
Erst gegen Ende findet sich doch noch eine weitere deutsche Frau, die sich für die interkulturelle Begegnung begeistert. Die junge Museumsführerin nutzt die Chance, um auf den kulturellen Einfluß der Türkei auf Deutschland hinzuweisen. Eine lange Liste vom Lehnwort in der Sprache bis hin zur Badekultur zählt sie auf. Die Türkinnen lächeln. „Danke, daß sie uns die eigene Geschichte vermittelt haben“, läßt Gülderen übersetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen