Chefankläger Metzger schweigt

■ Nach den Rücktrittsforderungen an Umweltminister Trittin kommen nun doch noch verhaltene Solidaritätsbekundungen

Gestern schwieg der Chefankläger. Am Tag zuvor noch hatte Oswald Metzger, der haushaltspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, mit einer Serie schneidiger Interviews die Verdammung des Jürgen Trittin betrieben. „Ich an seiner Stelle könnte nicht mehr in den Spiegel gukken. Irgendwann ist das Maß voll. Aber Anstand kann man nicht verordnen“, kanzelte er den Umweltminister ab. Trittins Rücktritt würde einen Befreiungsschlag bedeuten. Für diese Forderung erhielt Metzger zunächst Unterstützung von der finanzpolitischen Sprecherin Christine Scheel. Dann aber kam die Fraktionssitzung.

„Wenn man einen Minister mobben will, muß man früher aufstehen!“ – sichtlich zufrieden faßt eine Teilnehmerin mit Sympathien für Trittin die Sitzung zusammen. Mit seinem Angriff auf den Minister sei Metzger ziemlich allein dagestanden. Im übrigen sei der haushaltspolitische Sprecher nicht mal im Ansatz an den laufenden Umweltproblemen dran. „Das macht ihm aber nichts aus, solange er dafür in die Medien kommt.“

Nach dem Treffen verteidigte die Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller den Umweltminister im Saarländischen Rundfunk. Die Rücktrittsforderungen nannte sie „einen unglaublichen Vorgang“, der sofort beendet werden müsse. Die Forderung sei extrem unsolidarisch und zeuge von einer „beispiellosen Profilneurose“. Überdies sei es ziemlich billig, den ganzen Ärger über die Umweltpolitik der Bundesregierung nur bei einer Person abzuladen, so die zum linken Flügel zählende Müller. Offensichtlich sei doch die SPD nicht bereit, auch nur einen Schritt in Richtung einer wirklichen Umweltpolitik zu machen.

Auch der BUND stellte sich gestern hinter Trittin. Die Rücktrittsforderungen seien „ein billiges Ablenkungsmanöver vom eigenen Versagen“. Nicht der Umweltminister, sondern die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der Grünen sei das Problem. Trittin stehe weiterhin für eine „ökologische Wende“. Aus Protest gegen die rot-grüne Umweltpolitik trat die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt gestern aus der SPD aus.

Die Abgeordneten in der Fraktionssitzung selbst waren keineswegs so resolut solidarisch mit Trittin. Auch gab es keinen Versuch, dem eigenen Minister etwa demonstrativ den Rücken zu stärken für künftige Auseinandersetzungen mit dem Kanzler. Parteichefin Antje Radcke sieht aber genau in der fehlenden Unterstützung von Partei und Fraktion den Grund für Trittins letztes Debakel. Indem er die EU-Altautoverordnung blockierte, hat der Umweltminister den Willen Schröders exekutiert – gegen die eigene Überzeugung. Man habe „zu spät und zu wenig“ für Trittin getan, bekannte Radcke, „weil wir das alles unterschätzt haben“. Verschwörungstheorien wies sie zurück: „Wir haben ihn mit Sicherheit nicht, und schon gar nicht bewußt, ins Messer rennen lassen.“

Die Parteichefin hofft jetzt auf eine Programmdebatte. „Es muß uns mit diesem Grundsatzprogramm gelingen, so was wie eine Identität herzustellen – die uns zuletzt etwas flöten gegangen ist.“ Ob das Debattieren der Partei derzeit leichter fällt als das Regieren, ist freilich noch nicht ausgemacht. Mehr noch als über den Inhalt selbst sind viele mißvergnügt über den Zeitpunkt der Veröffentlichung. Wie will man angesichts des Wettstreits der Streitpapiere noch den Wähler für den mühsam errungenen Erfolg des Sparpakets begeistern? Ach Gott, erwidert einer, der den Autoren vom Realoflügel nähersteht, wenn einem ein Papier nicht passe, dann seien Zeitpunkte immer ungünstig. Patrik Schwarz

Siehe auch Debatte Seite 12