: Journalisten sollen sich zu erkennen geben
■ Innensenator und Polizeipräsident arbeiten mit Reportern Polizeiübergriffe am 1. Mai auf
Bei der Aufklärung der Polizeiübergriffe auf Journalisten am diesjährigen 1. Mai sind die Ermittlungsbehörden keinen Schritt vorangekommen. Bei einem Gespräch mit betroffenen Reportern und Vertretern von Medien-Organisationen flüchteten sich Innensenator Eckart Werthebach (CDU) und Polizeipräsident Hagen Saberschinsky am Mittwoch in die üblichen Allgemeinplätze: „Die Ermittlungen laufen.“
Zu dem Treffen hatten sich Werthebach und Saberschinsky auf Drängen des Journalisten-Verbandes und der IG Medien bereit erklärt. Laut Innensenatssprecher Norbert Schmidt sollte das Gespräch in kleiner Runde „vertrauensbildend“ wirken. Wie berichtet hatten neun Jornalisten nach dem 1. Mai in einem offenen Brief an den Innensenator schärfstens gegen Mißhandlungen durch Polizeibeamte protestiert. Besonders hart hatte es Harald Neuber (Junge Welt) getroffen, der mit einem Knüppel im Nacken abgeführt worden war, obwohl er sich am Rande des Geschehens befunden hatte und sich deutlich als „Presse“ zu erkennen gab. Die Festnahme ist von einem Fernsehteam dokumentiert worden.
Von dem Treffen mit Saberschinsky und Werthebach zeigte sich Neuber gestern sehr enttäuscht. „Es ist nichts herausgekommen. Immer dann, wenn eine konkrete Situation zur Sprache kam, wurde relativiert.“ Dem ebenfalls von Polizisten traktierten Tobias von Heymann (Kurier) sind die Umarmungsversuche von Werthebach unangenehm aufgestoßen: Dieser habe sich in Berlin Verhältnisse wie im „Raumschiff Bonn“ gewünscht, wo „Presse und Polizei immer Arm in Arm gegangen“ seien. „Als Presse bin ich unabhängig und verwahre ich mich gegen jegliche Form der Vereinnahmung.“ Bemerkenswert sei auch, was Saberschinsky bei dem Gespräch vorgeschlagen habe: Jener habe angeregt, daß Polizisten ihre Dienstmarke an Journalisten herausgeben könnten. „Normalerweise soll dies bei Demonstrationseinsätzen nur der Einsatzleiter tun“, habe der Polizeipräsidenten hinzugefügt.
Zufrieden über den Gesprächsverlauf zeigten sich dagegen der Vorsitzende des Journalisten-Verbandes, Alexander Kulpok, und der Vize-Vorsitzende der IG Medien, Andras Köhn. „Wir haben vereinbart, den Dialog fortzusetzen“, so Köhn. Konkret nachgedacht werden solle über Schulungen für Polzisten zum Thema Pressefreiheit sowie eine bessere Kennzeichnung von Journalisten. Letztzeres wolle Werthebach auf der nächsten Innenministerkonferenz zur Sprache bringen.
Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, sprach gestern von „einer bizarren Äußerung“ des Polizeipräsidenten, „weil jeder Polizist seine Dienstnummer herausgeben muß, nicht nur an Journalisten“. Daß kein einziger Polizeiübergriff vom 1. Mai aufgeklärt ist, unterstreicht für den grünen Innenpolitiker Wolfgang Wieland, „wie notwendig die Kennzeichnungspflicht der Polizisten ist“. Plutonia Plarre
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