: Der „french doctor“ soll das Kosovo heilen
■ Bernard Kouchner, Mitbegründer der „Médecins sans Frontières“, wird UN-Sonderbeauftragter
Keine Katastrophe ohne Kouchner. Der „french doctor“ hetzt seit Jahren von Erdbeben, zu Überschwemmung, von Krieg zu „ethnischer Säuberung“. Immer schafft er es dabei, sein hageres Lächeln auf die Bildschirme zu bringen. Mal mit einem Sack Reis für hungernde Somalis. Mal mit einem Boot für flüchtende Vietnamesen. Neuerdings vor allem an der Seite von verfolgten Kosovaren. Dabei promotet Kouchner außer seiner eigenen Karriere auch noch einen Slogan, der inzwischen zum internationalen Dogma geworden ist: Das Recht auf humanitäre Einmischung geht vor. Im Zweifelsfall sogar vor staatliche Souveränität.
Zu Hause in Frankreich gehört der 1939 in Avignon geborene Bernard Kouchner seit langem zu jenen Politikern, die die Hitparaden der Meinungsforscher anführen. Doch während sie ihn auf der Beliebtheitsskala im oberen Mittel ansiedeln, lassen ihn die Wähler regelmäßig abblitzen. Seine letzte große Schlappe war im Oktober 1996 bei Nachwahlen in der südfranzösischen Kleinstadt Gardanne. Dort sollte der lokal völlig unerfahrene, aus Paris eingeflogene Kouchner die sozialistische Linke vertreten. Doch er blieb weit abgeschlagen hinter dem kommunistischen und auch noch hinter dem rechtsextremen Kandidaten auf dem dritten Platz.
Kouchner reagierte wie ein ausgebuhter Star und kündigte seinen Rückzug aus der Politik an. „Vive la vie. Salut!“, sagte er seinen Freunden in der „radikalsozialistischen Partei“. Doch schon im Juni 1997 war er zurück auf der politischen Bühne. Nunmehr als Staatssekretär für Gesundheit und Soziales in einer überraschend an die Macht gelangten rot-rosa-grünen Koalition.
In dem Amt sprach Kouchner viel und laut über so unterschiedliche Themen wie die Sterbehilfe, das Steifheitsmittel Viagra, die Hepatitis-B-Impfung und Aids. Und machte sich jede Menge Feinde. Auf die von ihm eingeleitete Schließung von Notaufnahmestationen in Krankenhäusern, Psychiatrien und Geburtsstationen, auf die Bettenstreichungen und die Sparpläne bei Kuraufenthalten reagierten Ärzte, Krankenschwestern und Patienten ausgesprochen empfindlich. Es hagelte Streiks und Demonstrationen. Neuerdings zirkuliert auch eine Petition von bislang über 170.000 Franzosen, die gegen die Abschaffung der gynäkologischen Facharztausbildung protestieren. Rechtzeitig zum Christopher Street Day veröffentlichte auch „Act Up“-Paris in der vergangenen Woche eine Portesterklärung mit dem Titel: „Kouchner lügt“, in der die zahlreichen nicht erfüllten Versprechen des Staatssekretärs in Sachen Versorgung von HIV-Positiven aufgelistet sind.
International hingegen schaffte es Kouchner auch noch als Staatssekretär, sich mit positiven Nachrichten in Erinnerung zu bringen. Unter anderem mit einem großzügigen Scheck zur medizinischen Versorgung HIV-positiver werdender Mütter in der Elfenbeinküste, den er vor wenigen Wochen überreichte. Oder mit einem energischen Auftritt bei der internationalen Aids-Konferenz in Genf, wo er Unterstützer für sein „Prinzip der Intervention“ suchte.
Kouchners Stärke liegt im Bereich der PR für internationale Aktionen. Das bewies er unter anderem als Mitgründer und späterer Präsident der Nichtregierungsorganisation „Médecins sans Frontières“, als er sich mit spektakulären Auftritten unter anderem in Biafra und Eritrea bekannt machte. Bei diesen Gelegenheiten erwarb er auch den Spitznamen „french doctor“.
Als Arzt – Spezialität: Magen-Darm-Trakt – hat Kouchner schon lange nicht mehr gearbeitet. Vielmehr machte er seit Jahren keinen Hehl daraus, daß er auf den Ruf einer internationalen – möglichst humanitären – Organisation wartet. Jetzt hat ihm der UN-Generalsekretär Kofi Annan diesen Wunsch erfüllt. Am Freitag ernannte er Kouchner zum Sonderbeauftragten der UNO für das Kosovo. Er soll sich hauptsächlich um die Rückkehr der Flüchtlinge und den Aufbau neuer ziviler Strukturen im Kosovo kümmern. Dorothea Hahn
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