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UNO droht Fiasko in Ost-Timor

Die anhaltende Gewalt der proindonesischen Milizen droht das im August geplante Referendum über die Zukunft Ost-Timors zum Scheitern zu bringen  ■   Von Sven Hansen

Berlin (taz) – Die Mission der Vereinten Nationen in Ost-Timor (Unamet) hat nach einem bewaffneten Überfall proindonesischer Milizen auf einen Hilfskonvoi den Abzug ihres gesamten Personals aus der Stadt Liquisa, 30 Kilometer südostlich der Hauptstadt Dili, beschlossen. Dies teilte Unamet-Sprecher Ian Martin gestern in Dili mit. Er warf Indonesiens Regierung Untätigkeit gegenüber den Milizen vor und sagte, deren Aktivitäten gefährdeten das Referendum über die Zukunft Ost-Timors.

Bei dem Überfall am Sonntag, dem vierten auf UN-Personal in Ost-Timor in zwei Wochen, wurden drei Unamet-Angehörige verletzt. Ein Fahrer wurde angeschossen, ein Hilfsfahrzeug schwer beschädigt. Sechs Personen wurden gestern noch vermißt. Ein UN-Hubschrauber wurde mit Steinwürfen an der Landung gehindert. Der von UN-Personal begleitete Hilfskonvoi war gerade aus Liquisa in Richtung Dili losgefahren, als er 100 Meter neben einer Kaserne angegriffen wurde. Militär und Polizei griffen nicht ein. Der Konvoi hatte 4.000 Flüchtlinge mit Hilfsgütern versorgt, die vor den Milizen geflohen waren.

Die Polizei warf Unamet vor, aus einem UN-Fahrzeug einen Offizier mit einer Waffe bedroht zu haben. Ein UN-Sprecher wies den Vorwurf zurück und sagte, die Waffe sei im Fahrzeug versteckt worden, um Unamet zu belasten. Indonesiens Regierung verurteilte den Milizangriff und kündigte noch für gestern die turnusmäßige Auswechslung des Polizeichefs von Liquisa an. Generalstabschef und Verteidigungsminister Wiranto sagte in Jakarta, die Behörden, die Polizei und das Militär würden die Sicherheit der UN-Mitarbeiter garantieren. Wiranto traf gestern in Jakarta die Führer der Unabhängigkeitsbewegung, „Xanana“ Gusmao und José Ramos-Horta. Die beiden Osttimoresen spielten den Zwischenfall herunter. Gusmao sagte, mit solchen Ereignissen sei zu rechnen gewesen.

Der bisher schwerste Zwischenfall mit UN-Personal wirft die Frage auf, wie die Vereinten Nationen überhaupt noch eine friedliche Abstimmung gewährleisten wollen, in der am 21. oder 22. August über Autonomie oder Unabhängigkeit der 1976 von Indonesien annektierten früheren portugiesischen Kolonie entschieden werden soll. Bereits vor zwei Wochen hatte UN-Generalsekretär Kofi Annan die ursprünglich für den 8. August geplante Abstimmung aus Sicherheitsgründen um zwei Wochen verschoben. Seitdem hat sich die Lage nicht verbessert. Der UN-Sonderbeauftragte für Ost-Timor, Jamsheed Marker, sagte gestern in Canberra, unter den derzeitigen Bedingungen könne das Referendum nicht stattfinden. Allerdings hätten Indonesiens Behörden noch bis August Zeit, um die zugesagten Verbesserungen umzusetzen. Die Anfang Mai geschlossene Vereinbarung sieht nur unbewaffnete UN-Polizisten vor und macht allein Indonesien für deren Sicherheit verantwortlich. Die proindonesischen Milizen, die Befürworter der Unabhängigkeit mit Terror einschüchtern, werden vom Militär ausgerüstet.

Laut Monika Schlicher von der deutschen Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia ist der fehlende diplomatische Druck auf Jakarta dafür verantwortlich, daß die Milizen nicht entwaffnet wurden: „Eine Verschiebung oder ein Abbruch des Referendums ist für Ost-Timor genausowenig eine Lösung wie eine Abstimmung in einem Klima der Angst.“ Der Schlüssel zur Lösung des Konflikts liege darin, Indonesiens Regierung in die Pflicht zu nehmen. „Das ist auch Aufgabe der deutschen Regierung“, so Schlicher. Doch die habe nicht einmal die für Unamet in Aussicht gestellten fünf deutschen Polizisten entsendet.

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