: Monsanto: Mit der gen-ethischen Sense
■ „Klagewütige“ US-Firma Monsanto versucht Bürgerini gegen genetisch veränderten Mais mit horrenden Schadenersatzdrohungen kleinzuhalten / Unternehmen wiegelt vehement ab
Jeden Sonntag um „fünf vor zwölf“ Uhr geht es raus zum Acker. Ganz „zufällig“ kommen beim Gen-Versuchsfeld in Benkel an die 50 Leute zusammen. Im Mai hat die US-Firma Monsanto hier herbizid-resistenten Mais ausgesäht. Der Arbeitskreis für gentechnikfreie Lebensmittel befürchtet Gefahren bei der Auskreuzung. Doch die eigentliche Gefahr stellt offensichtlich das amerikanische Unternehmen selbst dar. Monsanto versucht die Initiative mit teilweise dubiosen Mitteln einzuschüchtern: mit schwarzen Sheriffs, Schadensersatzklagen und Anrufen beim Ordnungsamt – um Verantwortliche zu schaffen, die man verklagen kann.
Der Arbeitskreis bezeichnet sich dagegen als „gewaltfreie und friedliebende Gruppe: Wir gucken uns das Sonntags an, trommeln, diskutieren mit der Polizei.“ An zwei Sonntagen haben einzelne Leute das Feld betreten. „Sie haben nichts zerstört, sind bewußt in die Furchen getreten. Die Polizei ist mitgegangen“, sagt Wilfried Mittendorf vom Arbeitskreis. Grund genug für die unter Kritikern als „klagewütig“ verschrieene Firma „vorsorglich Wachpersonal“ einzusetzen, um eine Feldzerstörung zu verhindern.
Seit vier Wochen beobachtet der Arbeitskreis „private Sheriffs“ am Feldrand. Projektleiter Norbert Mülleder bestreitet dies nicht. Er bezeichnet die Aufpasser bloß netter: „Wachpersonal“. Die „nicht nur nachts“ nach dem Rechten sehen sollten. Tatsächlich konnten „zwei Vorfälle“ verhindert werden. Einmal, so Mülleder, sei ein Schild mit einem genkritischen Zeitungsartikel beklebt worden. Außerdem sei versucht worden, das Schild anzuzünden. Ein zweites Mal hätten zwei Jugendliche mitternächtens versucht, ein Schild aus der Verankerung zu reißen. Sie konnten fliehen, bevor die Sheriffs kamen. „Die Kosten für den Wachdienst müssen wir in Kauf nehmen“, so Mülleder. Würde das Feld zerstört werden, rechnet Monsanto mit einem Sachschaden von 100.000 Mark inklusive Folgekosten.
Der Arbeitskreis fürchtet, daß die Gentech-Firma im Falle eines Falles versuchen würde, diese Kosten gerichtlich einzuholen. Einzelnen könnten Riesenklagen ins Haus stehen. Mülleder bestätigt auch das: „Wir würden die entsprechenden Register ziehen.“ Bislang gab es bundesweit noch kein solches Verfahren. Immer blieben die Täter unbekannt. Für Mülleder soll das Wachpersonal lediglich „Schlimmeres verhindern. Wer weiß, was die Jungs noch alles angestellt hätten, und welch hohe Schadensersatzklagen“ hätten enstehen können, sagt er.
Vergangenen Sonntag interessierte sich auf einmal auch das Ordnungsamt für den Gen-Acker. Der Arbeitskreis hat die wöchentliche Versammlung nicht angemeldet. Hätte man aber tun müssen, so die Vertreter vom Ordnungsamt des Landkreises Verden. Mittendorf von der Bürgerini fragt sich jetzt, ob vielleicht jemand Druck auf die Behörde ausgeübt hat. Auch hier führen die Wege zu Monsanto. Mülleder bestreitet dies auf Nachfragen der taz nicht: „Wir haben die Ordnungbehörde aufmerksam gemacht.“ Schließlich habe es zwei Versuchszerstörungen gegeben. Außerdem spreche ja nichts dagegen, das als Demo anzumelden.
Das sehen die Leute um Mittendorf anders: Die Person, die die Versammlung anmeldet, wäre auch verantwortlich. Aber für alle Leute, die aufs Feld kommen, „können wir nicht die Hand ins Feuer legen“.
Für Mülleder bleibt die Aktion unverständlich. Denn: „Vom Feld gehen keinerlei Gefahren aus.“ An keinem anderen Standort der Firma wären 1999 solche Protestaktionen geplant. Benkel sei der „einzige Standort, wo der gesunde Menschenverstand nicht heimisch ist“.
Doch gerade auf diesen gesunden Menschenverstand beruft sich die ortsansässige Bürgerinitiative. Sie befürchtet besagte Auskreuzungen. In diesem Zusammenhang kritisieren sie auch angebliche Fehler bei der Anmeldung des Gen-Maisfeldes. Demnach sei die Einwohnerzahl des Dorfes zu niedrig angegeben worden, ein Biotop in der Nähe habe Monsanto verschwiegen. Obendrein sei ein Bio-Bauernhof von dem US-Konzern nicht angegeben worden.
Bei Monsanto beruft man sich dagegen auf den Dialog mit den Ortsansässigen, den das Unternehmen extra gesucht habe: Noch bevor die Genehmigungs-Anträge für ein vereinfachtes Verfahren Anfang April beim Robert Koch Institut eingingen, hat sich die Firma an den Bürgermeister gewendet. Doch da waren gerade Osterferien. Bis man einen Termin Anfang Mai fand, war der Mais längst ausgesät.
„Am Anfang wollten die das nicht öffentlich machen, sondern nur in den Verwaltungsausschuß gehen“, erinnert sich Mittendorf. Heraus kam schließlich doch noch eine öffentliche Sitzung, in der sich die Firma „anderthalb Stunden lang produzierte“, sagt Mittendorf bevor es zur Diskussion kam.
Henning Strotthof vom Gen-ethischen Netzwerk in Berlin kennt die Machenschafften der US-Firma übrigens nur zu gut: „Monsanto hat den miesesten Ruf schlechthin.“ Sie gelten als „klagewütig“ und wären als „erste vorgeprescht, die Polizei zu rufen“. Das Klima in Deutschland hätte sich so stark verändert. pipe
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