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Keine saubere Konfliktlösung

Sperriges Terrain: Die spanische Bildhauerin Cristina Iglesias hat sich für die Projektreihe „Damenwahl“ des Siemens Kulturprogramms den Künstler Olaf Metzel ins Haus am Waldsee eingeladen  ■   Von Michael Nungesser

Das Haus am Waldsee, eine gutbürgerliche Villa aus den frühen zwanziger Jahren, hat trotz der öffentlichen Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg seine Aura behalten. Sie wird, mit Bedacht und künstlerischem Konzept, durch die jetzige Doppelausstellung von Cristina Iglesias und Olaf Metzel empfindlich gestört. Der Eingangsraum ist leer. Die breite Wandöffnung zum nächsten Raum und zum gewohnten Gang durchs Hochparterre ist durch eine Flügeltür verriegelt; auch zum ersten Stock wird kein Zulaß gewährt, am Fuße der Treppe hängt eine Kette. Eine kleine Tür in der Ecke führt schließlich zum dreiteiligen Hauptraum, und von da gelangt man über die Terrasse zum Park: Das sind die Schauplätze für skulpturale Installationen. Die im Park ist von Metzel, die vier im Innenraum von Iglesias.

Das alles ist kreuz, quer und karg. Nur wenige Werke, dafür sperrig. Nicht wegen ihrer Dimensionen, sondern der Plazierung im Raum: irritierende Akzentsetzungen. Formal streng, auf ein, zwei Materialien reduziert, fast einfarbig, cool zwischen Produkt und Objekt angesiedelt, aber doch funktionslos. Es sind im wahrsten Sinne des Wortes „drop sculptures“, wie zufällig, von anonymer Hand abgeworfene Artefakte. Das gilt besonders für die „Turbokapitalismus“ genannte Arbeit von Metzel. Ein großes Bündel aus silbrig glänzenden Rohren (angeregt durch Zigarrenhüllen), das die Bänke der Freilichtbühne hinter dem Haus hat einknicken lassen. Da liegen sie, monströse, unheimliche Behälter, die an Gasflaschen oder Geschosse erinnern, plötzlich eingebrochen in die Naturidylle. Man wird an den gerade vergangenen Luftkrieg im Kosovo erinnert, die vermeintlich „saubere“ Konfliktlösung der Zukunft.

Auch Iglesias' Bild-Bau-Werke im Raum tauchen unvermutet auf, verwirren und bedrängen. An beiden Raumenden hängt je ein wandbildgroßer, mehrteiliger Fotosiebdruck auf Kupferplatten. Seine düstere Oberfläche läßt schemenhaft aus Kartons gebildete Labyrinthe erkennen. Mitten im Raum steht „Celosia/Jealousy“: ein Raum im Raum, gebildet aus halbtransparenten Wänden (Holz, Harz, Kupferstaub), die maurischen Gitterläden nachempfunden sind. Spanischer wie englischer Titel sind zweideutig: Jalousie oder Eifersucht, sehen oder gesehen werden (Iglesias wurde von der Kurzgeschichte „Jalousie“ von Alain Robbe-Grillet inspiriert). Die in der Rasterstruktur der Wand erkennbaren Buchstaben verweisen auf Schrift, Lesen, Meditieren; sie begleiten den Rückzug in die Zelle.

Die vierte Arbeit geht in den Nachbarraum hinein, verschließt aber zugleich den Zutritt: gegossene Aluminiumplatten mit einem dichten Muster aus Eukalyptusblättern. Iglesias' Arbeiten verschieben Maßstäbe, fragmentieren, sind Zeichen wie Ornament, abstrakt wie narrativ, real und fiktiv zugleich. Reibungsflächen, an denen sich Reflexionen über innen/außen, Natur/Technik, Aktion/Kontemplation entzünden.

Die Ausstellung ist Teil einer von Matthias Winzen konzipierten und betreuten Reihe des Siemens Kulturprogramms. Unter dem Titel „Damenwahl“ wird eine Künstlerin eingeladen, die wiederum einen Ausstellungspartner auf Zeit zu einem ästhetischen Dialog einlädt. Die aus dem Baskenland stammende und in Madrid lebende, international anerkannte Bildhauerin Cristina Iglesias, Jahrgang 1956, wählte ihren nicht minder etablierten „Partner“ und derzeitigen Kollegen an der Akademie der Bildenden Künste in München, den Berliner Olaf Metzel (Jahrgang 1952), dessen Absperrgitter-Pyramide beim Skulpturenboulevard zur 750-Jahr-Feier vielen noch gut in Erinnerung sein dürfte. Entstanden ist ein subtiler Dialog ins Offene, den der Betrachter aufnehmen und weiterspinnen kann.

Bis 1. August, Di. bis So. 12 bis 20 Uhr im Haus am Waldsee, Argentinische Alle 30, Berlin-Zehlendorf. Katalog 16, 80 DM

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