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Jetzt im Kino: The Life of Ebi

■ Mit biederer Kinowerbung will die CDU das Sommerloch füllen. Doch Diepgen rennt seinem dynamischen Image jetzt mehr denn je hinterher

Irgendwann mußte das Image mit der Realität kollidieren. Da ist es dem jungen Wahlkampfteam der CDU in den vergangenen Wochen und Monaten gelungen, dem Regierenden Bürgermeister eine ungewohnt dynamische Aura zu verpassen: Zuerst rannte Eberhard Diepgen auf Plakaten hinter Lola her, dann durfte das geneigte Publikum Joggingschuhe der Marke „Ebi“ bestellen, und einen modischen hellgrauen Anzug samt neuer Brille trägt Diepgen mittlerweile auch. Die Gefahr, der Bürgermeister könne 15 Jahre nach Amtsantritt so verbraucht aussehen wie weiland Helmut Kohl, schien gebannt. Es war sein Konkurrent Walter Momper, der im Vorwahlkampf alt aussah.

Doch der Jugendkult findet seine Grenzen in der real exisitierenden Persönlichkeit Diepgens. Das machte die CDU wider Willen klar, als sie am Donnerstag abend zu später Stunde an ungewohntem Ort – neun Uhr, Karl-Marx(!)-Allee – zum Kino einlud.

Popcorn und Eiskonfekt hatte sie aufgefahren, mexikanisches Bier und saure Drops in rot und grün – und einen reichlich biederen Wahlkampfspot, mit dem die Union während der politischen Sommerpause das Publikum der Programmkinos behelligen will. In dem Filmchen muß sich ein Berliner von seinen Kegelbrüdern über die fulminanten Erfolge der Großen Koalition belehren lassen. Dabei imitierte die Werbeagentur mehr schlecht als recht jene Szene aus dem Monty-Python-Streifen „Das Leben des Brian“, in dem ein judäischer Separatist zähneknirschend die Kulturleistungen der Römer einräumen muß.

Dumm nur, daß der Christdemokrat Diepgen von der blasphemischen Klamotte offenbar noch nie etwas gehört hat. Die Frage, ob er den Film kenne, verneint er nach kurzem Zögern: „Sie würden es ja doch nicht glauben.“ Als Bürgermeister habe er keine Zeit für Kinobesuche. Aber der Film ist doch schon älter? „Damals war ich Fraktionsvorsitzender.“ Stimmt nicht ganz. „Das Leben des Brian“ kam 1979 heraus, Diepgen wurde aber erst im Dezember 1980 Fraktionschef.

Sattelfester zeigte sich Diepgen, als er die Botschaft des CDU-Werbespots in seine eigene Sprache übersetzte und die Erfolgsbilanz der vergangenen neun Jahre herunterbetete – auch wenn er im Wahlkampf, versteht sich, eigentlich „die Zukunft“ betonen will. Während sich Diepgen an den ermatteten Journalisten abarbeitete, kämpfte CDU-Generalsekretär Volker Liepelt mit seinem mexikanischen Bier, das offenkundig weit stärker schäumte als das landesübliche „Schultheiß“. Doch die Aufgabenteilung funktionierte: Liepelt rezitierte die miserablen Umfragewerte für die SPD-Senatoren, Diepgen hob – ganz Landesvater – die „Gemeinschaftsleistung“ der Koalition hervor.

Am Werbefilm hatte Diepgen lediglich auszusetzen, daß die Schauspieler nicht korrekt berlinerten. Eines hat Diepgen an diesem Abend erreicht: Er kannte sich zwar nicht aus, aber er hat gezeigt, daß er für alles offen ist – auch für jede Peinlichkeit. Ralph Bollmann

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