Ökolumne
: Fetisch Atomkonsens

■ Restlaufzeiten sind Nebensache: Alternativen wollen gefördert sein

Schluß mit dieser verfahrenen Ausstiegsdiskussion! Schluß mit den isolierten Plapperrunden über Restlaufzeiten von Atomreaktoren! Wer den Ausstieg will, muß zugleich ernsthaft über den Einstieg in Alternativen reden.

Vor lauter Ausstiegsgeplänkel scheint die Regierung gar nicht wahrzunehmen, wie in diesem Lande alle Ansätze einer Energiewende sich in Wohlgefallen aufzulösen beginnen. Stadtwerke verabschieden sich von der ökologisch sinnvollen Kraft-Wärme-Kopplung. Sinkende Strompreise machen alle Formen des Energiesparens uninteressant. Und die Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energien wird mit dem Preisverfall auf dem freien Strommarkt gefährlich in die Tiefe gerissen.

Wichtiger als alle Ausstiegstermine sind ganz andere Fragen. Etwa: Wie retten wir die umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)? Die Antwort ist denkbar einfach: Wir brauchen eine Quote. Einige Bundesländer machen sich bereits dafür stark.

Quote heißt: Per Gesetz muß jeder Stromversorger einen festen Anteil von Strom in seinem Energiemix haben. Hat er's nicht, muß er ihn zukaufen. Gibt der Markt nicht genug davon her, steigen für KWK-Strom die Preise. Dann lohnt sich der zusätzliche Bau von derartigen Kraftwerken. Das Verfahren ist praktikabel, marktkonform – und vor allem auch EU-kompatibel.

10 Prozent des Stroms werden heute mittels Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt. Wenn wir diesen Wert zur Quote machen, ist der Bestand sofort gesichert. Binnen sieben Jahren könnten wir sie auf 20 Prozent anheben.

Auch die erneuerbaren Energien brauchen endlich Unterstützung. Zum Beispiel Erdwärme: In Bühl bei Karlsruhe wollten die Stadtwerke ein Erdwärmekraftwerk mit beachtlichen zehn Megawatt elektrischer Leistung bauen. Noch vor einem halben Jahr stand das Projekt gut da – es war wirtschaftlich machbar und technisch ausgefeilt. Doch binnen weniger Monate hat der Preisverfall auf dem Strommarkt die Pläne zerstört. Wo bleibt da die Politik?

Ein Vorschlag ist: Eine Quote auch für die erneuerbaren Energiearten. Nicht als Ersatz zum Stromeinspeisungsgesetz, sondern als Ergänzung. Während das Gesetz die Kleinanlagen voranbringt, kann die Quote dort etwas bewegen, wo es um millionenschwere Investitionen der Stromversorger geht. Siehe Erdwärme.

Daß am Stromeinspeisungsgesetz für dezentrale Erzeuger nicht gerüttelt werden darf, zeigt sein Erfolg. Das Gesetz ist das wirksamste Instrument für Wind- und Wasserkraft, das es je gab. Wer die Förderung der erneuerbaren Energien ernst nimmt, muß also an dem Gesetz festhalten.

Und sogar aufstocken. Daß für Strom aus Biogas weniger bezahlt wird als für Windkraft, ist sachlich nicht zu rechtfertigen. Ebensowenig ist einzusehen, daß die Vergütungssätze mit sinkenden Strompreisen fallen. Am wichtigsten ist allerdings eine Nachbesserung beim Solarstrom. Die Vergütung von 16,5 Pfennig pro Kilowattstunde ist lächerlich. Sie sollte kostendeckend sein, will man die Zukunftsenergie voranbringen – etwa 1,60 bis 1,80 Mark je Kilowattstunde. Eine entsprechende Petition hat soeben der Aachener Stadtrat mit den Stimmen aller Parteien verabschiedet.

Der Vorschlag hat Charme. Schließlich kostet diese Förderung die öffentlichen Kassen keinen Pfennig. Das Geld kommt von allen Stromkunden – und die können den geringen Aufschlag problemlos bezahlen, nachdem durch die Liberalisierung des Strommarktes die Preise im freien Fall sind. Nicht zuletzt weil dieser Vorschlag aus Aachen kommt, sollte man ihm Gewicht beimessen: Vor vier Jahren hat dort der Stadtrat die kostendeckende Vergütung einführen lassen – mit großem Erfolg.

Der größte Vorteil der Einstiegspolitik: Sie braucht nicht die Zustimmung der Atomwirtschaft. Die Branche wird zurückgestutzt auf die ihr angemessene Rolle als reagierender, nicht als handelnder Akteur. Reagieren wird sie müssen: Mit jeder Kilowattstunde Ökostrom wird eine konventionell erzeugte Kilowattstunde verdrängt. Und wenn die politischen Vorgaben stimmen – etwa für Sicherheitsauflagen und Versicherungsprämien –, ist klar, daß es die Atomkraftwerke sein werden, die zuerst vom Netz gehen. Und das geht garantiert schneller als mit jedem von der Atomwirtschaft abgesegneten Ausstiegsfahrplan. Bernward Janzing