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Rentenkonsens in weiter Ferne

■  Engelen-Kefer will Rentenanpassung beibehalten, aber Familienleistungen herausrechnen. Kurt Beck fordert Nullrunden auch bei Löhnen. IG-Metall: „Das ist Unfug“

Hamburg (dpa/Reuters/AFP) Nach Ansicht der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Ursula Engelen-Kefer sollten die Renten auch in den nächsten beiden Jahren wie die Nettolöhne steigen, allerdings mit einem Abschlag in Höhe der stärker wachsenden Familienleistungen. Eine Erhöhung nach der Inflationsrate, wie sie die Bundesregierung in ihrem Sparpaket plane, würde die Kaufkraft der Renten im kommenden Jahr um knapp ein Prozent vermindern. Das sei für den DGB eine nicht hinnehmbare reale Rentenkürzung, sagte Engelen-Kefer. Sie forderte außerdem, die von der Regierung gewünschte private Altersvorsorge müsse paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert werden.

Im Gegensatz zu Engelen-Kefer schlägt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) vor, nicht nur Rentner, sondern auch Arbeitnehmer sollten in den kommenden beiden Jahren statt Einkommenserhöhungen lediglich einen Inflationsausgleich erhalten. „Der Lebensstandard bei uns ist doch so gut, daß wir uns diese Kraftanstrengung zumuten können“, sagte Beck der Bild am Sonntag. Das gesparte Geld solle zur Stabilisierung des Sozialsystems und der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft verwendet werden: „Das wäre ein Stück Vernunft und Selbstbescheidung.“

Würde Becks Plan Wirklichkeit, bekämen Arbeitnehmer im kommenden Jahr nicht wie in diesem Jahr zwischen drei und 3,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt, sondern lediglich 0,7 Prozent. Ein IG-Metall-Sprecher nannte Becks Vorschlag „Unfug“. Dies sei das Ergebnis, „wenn Leute über Dinge reden, von denen sie nichts verstehen“.

Der rheinland-pfälzische Sozialminister Florian Gerster (SPD) warnte seine Partei vor einem vorschnellen Rentenkonsens mit der Union: „Die geplante Rentenanpassung für die Jahre 2000 und 2001 in Höhe der Inflationsrate muß auf jeden Fall so durchgeführt werden wie von Arbeitsminister Walter Riester (SPD) geplant.“ Eine polemische Kampagne der CDU schließe aber aus, daß „es derzeit zu einer parteiübergreifenden Konsenssuche kommen kann“. Gerster rief den saarländischen Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt (SPD) auf, im Bundesrat dem Spar- und Rentenpaket der Bundesregierung zuzustimmen. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich beim Thema Sparpaket die SPD-geführten Länder im Bundesrat anders verhalten als die SPD im Bundestag.“ Am Freitag war im Bundesrat ein Beschluß verschoben worden. Klimmt, der die Abkehr von der Nettolohnkoppelung gemeinsam mit den Unionsländern bekämpft, bezeichnete das Konsensangebot der Bundesregierung am Wochenende als einen richtigen Schritt.

Der CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble unterstrich im Berliner Tagesspiegel den Reformwillen der Union. Er betonte: „Wir sind nicht gegen eine Reform der Rentenversicherung, sondern gegen eine kurzfristige Manipulation der Renten ohne jeden langfristigen Reformeffekt.“

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) stellte im Zweiten Deutschen Fernsehen für Rentengespräche die Bedingung, die Bundesregierung müsse den Plan fallenlassen, die Renten in den Jahren 2000 und 2001 nur in Höhe der Inflationsrate zu steigern. Koch sagte, Voraussetzung für die Teilnahme an einem „Rentengipfel“ mit der Bundesregierung sei außerdem, daß ein neues zusätzliches System der privaten Altersvorsorge auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen müsse.

„Der Lebensstandard bei uns ist so gut, daß wir uns diese Kraftanstrengung zumuten können.“

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