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„Nicht eins und eins zusammenzählen“

■ Tarifkonflikt im Einzelhandel in Hamburg und Schleswig-Holstein verschärft: Verhandlungsrunden abgesagt

Der Tarifkonflikt des Einzelhandels hat sich in Hamburg und Schleswig-Holstein weiter verschärft. In beiden Ländern wurden gestern die für heute geplanten weiteren Verhandlungsrunden abgesagt – in Schleswig-Holstein von den Gewerkschaften, in Hamburg von den Arbeitgebern. Vertreter beider Seiten kommentierten das Festfahren des Tarifkonflikts mit wechselseitigen Vorwürfen. Ein Streik in fünf Großbetrieben in Kiel machte gestern die verhärteten Fronten deutlich.

„Wir haben das Treffen abgesagt, da aus unserer Sicht keine Bewegung in Sicht war“, sagte der Geschäftsführer des Landesverbandes des Hamburger Einzelhandels, Jürgen Schulz. Die Arbeitgeber legten eine Verbandsempfehlung für den Abschluß neuer Tarife für die rund 70.000 Beschäftigten vor. Danach schlagen sie eine Lohnerhöhung von 3,0 Prozent vom 1. Juli an bei zwei Nullmonaten vor. Die Kassierer (Gehaltsgruppe drei) sollen eine Erhöhung von nur 1,5 Prozent erhalten. Außerdem fordern sie eine neue Tarifgruppe für Kassierer, die etwa 350 Mark unter der bisherigen Bezahlung von 3932 Mark brutto liege. Die neue Tarifgruppe gelte nur für Neueinstellungen.

Man sehe derzeit keine Chance auf eine Einigung, sagte Gewerkschaftssprecher Frank Schischefsky zu der Tarifrunde für die 100.000 Beschäftigten der Branche in Schleswig-Holstein. Die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) sowie die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) hatten die Beschäftigten von fünf Kaufhäusern in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt aufgerufen, die Arbeit für einen Tag niederzulegen. „Dieser Streik war ein voller Erfolg“, sagte Schischefsky. Rund 400 Beschäftigte hätten sich an den Aktionen beteiligt.

Der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nord-Ost, Peter Kettler, meinte zur Absage der Tarifgespräche, offenbar bräuchten die Gewerkschaften eine Denk- und Abkühlungspause. Mit ihrer Forderung nach einer reinen Entgeltrunde würden sie nicht durchkommen. Der Tarifvertrag sei in seiner Struktur veraltet und müsse den Realitäten angepaßt werden. Für einfachste Tätigkeiten wie Eintüten oder Botengänge, bei denen man „nicht einmal eins und eins zusammenzählen können“ müsse, seien die Löhne viel zu hoch.

Die Arbeitgeber hatten in der vergangenen Tarifrunde in Hamburg eine Anhebung der Gehälter im Volumen von 2,5 Prozent angeboten. DAG und HBV forderten eine Erhöhung der Vergütungen um sechs Prozent beziehungsweise 200 Mark. dpa

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