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„5-Prozent-Hürde verfassungswidrig“

■ Hinter den Kulissen wird über das Urteil des Münsteraner Verfassungsgerichtes beraten / Die Folgen für Bremerhaven sind akut / Ist das Urteil aus NRW ein Sprengsatz für Bremen?

Seit dem Dienstag vergangener Woche gibt es für Bremen ein Problem, das bisher von Verfassungsexperten und hinter vorgehaltener Hand beraten wird: An diesem Tag nämlich urteilte der Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen, daß die Fünf-Prozent-Hürde im Kommunalwahlrecht verfassungswidrig ist. In NRW haben sich die Parteien umgehend darauf verständigt, noch vor den Kommunalwahlen am 12. September die Fünf-Prozent-Hürde für die kommunale Ebene ersatzlos zu streichen. Muß nicht auch das bremische Landeswahlgesetz für die Wahlen in Bremerhaven am 26. September angepaßt werden?

„Wenn es irgendwo eine Möglichkeit gibt, dann werden wir uns dafür stark machen“, sagt Bremerhavens AfB-Sprecher Günter Diekhöner. Die Wählergemeinschaft „Arbeit für Bremen“ landete bei den Landtagswahlen bei 4,1 Prozent. Und genau auf diesen Fall bezieht sich die Argumentation der Verfassungsrichter aus Münster: Wenn durch die Fünf-Prozent-Hürde in einer Kommune kleinere Parteien oder Wählerinitiativen ausgeschlossen werden sollen, dann muß der Gesetzgeber dies besonders begründen können, urteilen die Richter. Der klassische Verweis auf die notwendige „Stabilität“ der Mehrheiten reicht nicht aus, da in diversen Bundesländern die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr gilt, ohne daß diese Kommunen unregierbar geworden wären. Eine Begründung für die Fünf-Prozent-Hürde müsse „diese Erfahrungen erheben und auswerten“, steht in dem Urteil. Da die Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven 48 Sitze hat, läge eine Zwei-Prozent-Klausel nahe, da ein Stadtverordneter zwei Prozent der Wähler repräsentiert.

Anders als in NRW kann eine betroffene Wählerinitiative in Bremerhaven aber keine „Organklage“ erheben, sagt der Verfassungsexperte, der Rechtsanwalt Dr. Manfred Ernst. Nur die Stadt Bremerhaven könnte eine rechtliche Klärung erzwingen oder 20 Mitglieder der Bürgerschaft, wenn sie einen Antrag an den Staatsgerichtshof unterschreiben. Die Bremer Verfassungsrichter hatten 1951 selbst Zweifel an der Fünf-Prozent-Klausel, das Bundesverfassungsgericht hatte diese aber bestätigt.

1981 hatte die „Bremer Grüne Liste“ wieder den Staatsgerichtshof angerufen. Der hatte die gängige Rechtsprechung bestätigt. Aber diese gesamte Rechtsprechung bezieht sich auf Landtagswahlen. Für das Kommunalwahlrecht hat der Staatsgerichtshof die Problematik nie untersucht, sagt Ernst.

In Bremen sprechen die Erfahrungen, die mit kleinen Parteien gemacht wurden, eine eindeutige Sprache: Daß die DVU oder die AfB in den Parlamenten auftauchten, hat der Bremer Demokratie keineswegs geschadet. Sie hatten die Chance, sich vor ihren Wählern zu profilieren oder zu blamieren. Daß die AfB in Bremerhaven im Stadtparlament sitzt, hat dort sogar die Möglichkeit eröffnet, eine große Koalition zu verhindern.

„Wir werden jede Chance, die Hürde für Bremerhaven abzuschaffen, nutzen“, verspricht der grüne Bürgerschaftsabgeordnete aus Bremerhaven, Manfred Schramm. Das bringe mehr Demokratie. Die Landtags-Fraktion in Bremen wird sich in dieser Woche mit dem Thema befassen. Problem dabei: Eine Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde nützt nicht den Grünen, die als einzige von den „kleinen“ Parteien sich der fünf Prozent sicher sein können. Aber für Schramm geht es um Grundsätze und nicht um Taktik. K.W.

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