: DIW fordert weitere Zinssenkung
1999 „ist ein verlorenes Jahr für die Arbeitslosen“, weil Regierung und Zentralbank den Aufschwung nicht genug unterstützten, schreibt das Wirtschaftsinstitut ■ Von Hannes Koch
Berlin (taz) – Es geht aufwärts mit der Wirtschaft! Aber zu langsam, um die Zahl der Arbeitslosen zu verringern. Das ist die zentrale Botschaft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), das gestern in Berlin seine Deutschland-Prognose für 1999 und 2000 vorstellte.
Die Ökonomen kritisierten den Vorschlag des Rheinland-Pfälzischen SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck, die Löhne aller Beschäftigten in den nächsten zwei Jahren nur in Höhe der Inflationsrate steigen zu lassen. „Ein untaugliches Konzept“, so DIW-Präsident Lutz Hoffmann.
Sollte die Regierung Beck unterstützen, werde das ohnehin schwächliche Wachstum zusätzlich behindert. Denn nicht die Exporte, sondern die Nachfrage der privaten KundInnen im Inland hätten 1999 für rund 1,3 Prozent Wachstum gesorgt, so das DIW. Diese Stütze der Konjunktur gelte es zu stärken: Der Zuwachs bei den Löhnen müsse demnach rund 3,5 Prozent betragen. Auf diese Größenordnung kommen die Berliner Ökonomen, wenn sie den Ausgleich für die Inflation und die Zunahme der Produktivität zu einer moderaten Lohnerhöhung zusammenrechnen.
Die Bundesregierung denke zu wenig „gesamtwirtschaftlich“, sagte Konjunkturexperte Gustav-Adolf Horn. Sie konzentriere sich zu sehr darauf, die Löcher im Haushalt zu stopfen, anstatt an der richtigen Stelle Geld unter die Leute zu bringen. Das DIW fordert, die nächsten Schritte der Steuerform vorzuziehen, damit die Bevölkerung möglichst schnell mehr einkauft. Die Hoffnung: Dann stellen die Betriebe wieder ein. Außerdem sollten die Subventionen so umgeleitet werden, daß sie Investitionen anstoßen.
Das Institut bemängelte auch die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB), die – anders als in den USA – zu spät die Zinsen gesenkt und damit den Aufschwung behindert habe. Horn setzte sich für eine „weitere Zinssenkung“ ein, um die Wirtschaft anzuregen.
Mit seiner Wachstumsprognose von 1,3 Prozent Wachstum für 1999 ist das DIW skeptischer als die vier anderen großen Wirtschaftsforschungs-Institute, die mindestens 1,5 Prozent schätzen. Für 2000 jedoch liegt das DIW mit seinen 2,4 Prozent genau in der Mitte. Nach Überwindung der Asienkrise werde die Weltwirtschaft wieder an Kraft gewinnen, was auch die Exportaussichten für deutsche Produkte verbessere.
Die Zahl der Arbeitslosen werde 2000 im Vergleich zu 1998 um rund 200.000 Personen auf durchschnittlich 4,06 Millionen sinken. Mit entsprechender Unterstützung durch die Wirtschaftspolitik wären mehr neue Jobs geschaffen worden, meint das DIW. „Für die Arbeitslosen war 1999 ein verlorenes Jahr“, heißt es im Bericht.
Eindeutig wandten sich die Forscher gegen die Sichtweise, daß die deutsche Wirtschaft im Ausland nicht konkurrenzfähig sei und deshalb die Kosten der Arbeit gedrückt werden müßten. Die Lohnstückkosten, das Verhältnis von Lohn und Arbeitsproduktivität, würden zur Zeit sogar weniger stark steigen als in den USA, schreibt das DIW.
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