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Kein Platz für Opposition im Wüstenkrieg

■ Im Schatten des Krieges zwischen Eritrea und Äthiopien kämpft die Zivilbevölkerungen vor allem gegen ihre eigene Verarmung

Nairobi (taz) – Der andauernde Grenzkrieg zwischen Äthiopien und Eritrea wirkt sich immer deutlicher auf die Bevölkerungen der beiden Länder aus. „Fast alle Geschäfte und Fabriken in Eritrea haben weniger Angestellte, weil viele an der Front sind“, sagt ein Eritreer, der in Kenias Hauptstadt Nairobi lebt und gerade sein Heimatland besucht hat. „Nach zehn Uhr abends ist Asmara wie ausgestorben.“ Die Aktivität in den Häfen, die vom Umschlag äthiopischer Waren gelebt hatten, sei drastisch zurückgegangen, „und man merkt einfach deutlich, daß die Menschen viel weniger Geld haben als früher“.

Es wird davon ausgegangen, daß Eritrea die Verluste in der Wirtschaft durch die Zahlungen der im Ausland lebenden Eritreer zu kompensieren versucht. Doch trotz des Krieges scheint die eritreische Bevölkerung von vier Millionen Menschen – gegen 55 Millionen in Äthiopien – mehr denn je hinter der Regierung von Isayas Afewerki zu stehen. „Jeder einzelne, ob jung oder alt, Mann oder Frau, ist bereit, seine Aufgabe im Krieg zu übernehmen“, sagt ein westlicher Diplomat.

Vor ein paar Wochen hatten die Regierungen im Sudan und in Äthiopien eritreische Oppositionelle in ihre Hauptstädte geladen, um sie gegen die eritreische Regierung zu einen. Der Versuch war jedoch offenbar nicht von Erfolg gekrönt. „Der Einfluß auf die politische Situation hier war gering“, sagt der Diplomat, „weil den Namen der Teilnehmer, die hier bekannt wurden, einfach die Glaubwürdigkeit fehlt.“

Bewaffnete Opposition auf eritreisch: Seit einem halben Jahr, also als der Krieg in seine heiße Phase kam, hat Jihad Eritrea“, eine islamistische Guerillagruppe, die von sudanesischem Territorium operierte, die Angriffe eingestellt. „Jihad Eritrea soll erklärt haben“, sagt der Diplomat – es gibt in Eritrea keine unabhängigen Medien – „daß sie nicht dem Interesse des eritreischen Volkes schaden wollen und deshalb ihre Operationen unterbrochen haben.“

Für Sudan und Äthiopien ist dieser Mißerfolg um so bedeutsamer, als sudanesische und äthiopische Oppositionelle von Eritrea gefördert werden. So hat die Schirmorganisation der sudanesischen bewaffneten und politischen Opposition, die „Nationale Demokratische Allianz“ (NDA), ihren Sitz in Eritreas Hauptstadt Asmara, und Eritrea hat offensichtlich in den vergangenen Wochen auch versucht, die größte äthiopische Rebellengruppe „Oromo-Befreiungsfront“ (OLF) durch Somalia in den Süden Äthiopiens infiltrieren zu lassen. Die Oromos sind die größte Ethnie im Vielvölkerstaat Äthiopien, fühlen sich aber seit jeher marginalisiert. Gleich zu Beginn des Krieges gegen Eritrea hatte die OLF die Oromo aufgerufen, nicht an der Kriegsanstrengung teilzunehmen.

Die OLF hatte noch in den 80er Jahren gemeinsam mit der heute herrschenden Tigray-Befreiungsfront TPLF gegen das damalige äthiopische Regime von Mengistu Haile Mariam gekämpft, sich aber nach dem Sturz Mengistus 1991 von der TPLF getrennt. Für die Wahlen in Äthiopien 1995 rief sie zum Boykott auf, der in den Oromo-Regionen im Süden und Zentrum des Landes weitgehend eingehalten wurde. Doch heute ist es um die OLF still geworden.

Der äthiopischen Regierung ist es offenbar nicht nur gelungen, die OLF militärisch zu marginalisieren, sondern die Rebellengruppe, die bis Mitte der 90er Jahre als einzige legitime Vertretung der Oromos galt, hat auch an Popularität eingebüßt. „Die Haltung der Oromos zum Krieg ist gespalten“, sagt Marera Gudina, Politologe an der Universität Addis Abeba und Parteichef der moderaten Oromo-Partei „Nationaler Kongreß der Oromos“ (ONC). „Auf der einen Ebene ist die Elite, die OLF, die gegen den Krieg ist. Und auf der anderen die Basis. Zwar gibt es dort keine Begeisterung für den Krieg, aber, daß sich mehrere zehntausend Oromo-Rekruten an die Front gemeldet haben, sagt ja schon eine Menge aus.“

Die wirklichen Folgen des Krieges auf Äthiopien, glaubt Gudina, werden sich jedoch erst zeigen, wenn er zu Ende ist. „Im Augenblick traut sich keiner etwas gegen den Krieg zu sagen. Was die Menschen wirklich denken, werden wir wohl erst wissen, wenn dieser Druck weg ist.“

Denn auch in Äthiopien sind die Auswirkungen des Krieges zu spüren. Die Preise für Grundnahrungsmittel haben stark angezogen, und der Lebensstandard ist drastisch gefallen, weil alle Staatsbedienstete und auch viele Angestellte von Privatfirmen „freiwillig“ bis zu einem Drittel ihres Einkommens spenden. Die Abgaben an eine staatliche Kommission, die nominell den vom Krieg betroffenen Regionen helfen soll, werden in den staatlichen Medien vermeldet, und man darf davon ausgehen, daß dadurch ein beträchtlicher Druck entsteht. „Insgesamt ist eine deutliche Desillusionierung eingetreten“, sagt ein westlicher Diplomat. „Die anfängliche Begeisterung ist völlig verflogen, denn es sickert so langsam durch, daß viele wohl nicht von der Front zurückkehren werden.“

Die Regenzeit, die bis Ende September dauert, wird wohl keine großangelegten militärischen Operationen zulassen. Aber wenn bis dahin keine Einigung gefunden wird, dürften danach die Kämpfe wieder beginnen. Peter Böhm

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