piwik no script img

Noch einen gefunden

■  Der ARD-Kleinsender Radio Bremen will's nun mit dem nächsten Retter versuchen. Den erwartet die Dauerkrise

Gerade hat Radio Bremen (RB) neue Schwierigkeiten bekommen. „Wi-hier von hi-hier“ jingelt der erste private Vollzeit-Privatsender des kleinsten Bundeslandes seit Mittwoch rund um die Uhr. Notorisch gutgelaunte Moderatoren mit den – spaßig, spaßig! – Hobbys „im Stau stehen“, „grinsen“ oder „einen Parkplatz suchen“ wollen dem größten Funkhaus am kleinen Platz die lokale Kompetenz und die „besten Hits“ sowieso streitig machen.

Kein Wunder, daß Heinz Glässgen überredet werden mußte. Überredet dazu, im Alter von 55 Jahren seinen nicht krisenfesten Posten als Hauptabteilungsleiter Kultur beim NDR aufzugeben und nach Bremen zu kommen, wo er am kommenden Montag zum neuen Intendanten der kleinsten ARD-Anstalt gewählt werden soll (taz von gestern). Es könnte das vorläufige Ende einer schmierigen Geschichte sein.

„Hätte der Klostermeier doch bloß schon vor zwei Jahren freiwillig verzichtet“, stöhnen Medienleute in der Hansestadt. „Der Klostermeier“, Karl-Heinz, ist der zur Zeit kommissarisch amtierende Intendant . Seit 1985 leitet er die einstmals innovative und oft nachgeahmte Anstalt (Stichworte: „Beatclub“, „Loriot“ oder das Regionalmagazin „Buten & Binnen“).

Und er wirkt heute doch wie ein Relikt aus einer Zeit, in der die Bremer Landesregierung Millionensummen in die Werften pumpte und einfach glaubte, irgendwann werde es schon wieder aufwärts gehen. Doch dieses Relikt paßt nicht zur Boomtown-Propaganda der seit vier Jahren regierenden und wiedergewählten Großen Koalition. Dabei hatte Klostermeier sein vorzeitiges Ausscheiden sogar angeboten. Doch dann war etwas schiefgelaufen. Der Führungswechsel hat sich verzögert, und so ist alles noch schwieriger geworden.

„Das wird ein Knochenjob für ihn“, sagt nun ein Vertrauter des designierten Klostermeier-Nachfolgers Glässgen. Schon ohne die neue Konkurrenz hat das Massenprogramm im Hörfunk, die „Hansawelle“, in den vergangenen zehn Jahren über die Hälfte der Hörer verloren. Im Sendegebiet schlingert sie schon jetzt in Richtung Bedeutungslosigkeit. Wenn viele HörerInnen nun auch noch zur neuen „Antenne Bremen“ umschalten, könnte es noch schlimmer werden. Beim quotenträchtigen Regionalmagazin „Buten & Binnen“ (draußen und drinnen) kündigen immer mehr Redakteure. Zuletzt ließ sich sogar der Grimme-Preisträger (und taz-bremen-Mitbegründer) Klaus Schloesser abwerben – er wurde Regierungssprecher. Reformen werden mit heißer Nadel gestrickt und dem Publikum einfach so vorgesetzt: zum Beispiel die Kooperation mit dem WDR-Projekt „Funkhaus Europa“, die den überraschten Hörern des Kulturprogramms Radio Bremen 2 neuerdings eher Kulturtips aus Riga als aus Bremen sowie Wettermeldungen aus Nordrhein-Westfalen und Berlin beschert.

Heinz Glässgen wird, sofern der Rundfunkrat ihn am Montag wählt, erst mal Ordnung in dieses Chaos bringen müssen. „Er hat uns mit einer hervorragenden Analyse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überzeugt“, begründet die Rundfunkratsvorsitzende Roswitha Erlenwein die Entscheidung für Glässgen. Und sie fügt hinzu: „Ich hoffe, daß er möglichst bald anfängt.“ Christoph Köster

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen