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Wahlkampf mit verkehrten Fronten

■  SPD verspricht Stellenabbau und hartes Sparen, CDU sorgt sich um die kleinen Leute. Während die Finanzsenatorin um den Haushalt ringt, verteilt die Union schon Senatsposten

Die Berliner Sozialdemokraten geben dem Wort „Wahlversprechen“ einen neuen Sinn. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) kündigte gestern an, ihre Partei wolle in der nächsten Legislaturperiode den Personalabbau im öffentlichen Dienst fortsetzen und die Ausgaben des Landes um weitere zehn Prozent kürzen. Spitzenkandidat Walter Momper sagte, die Partei halte an ihrem Kurs „Klarheit und Wahrheit“ auch in Wahlkampfzeiten fest.

CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, der sich gestern ebenfalls vor der Presse äußerte, blieb dagegen dem gängigen Begriff von Wahlversprechen treu. Durch den Abbau von 50.000 Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst seien, die Familien eingeschlossen, rund 150.000 Menschen um ihre Existenzgrundlage gebracht worden, sagte er. Es habe ihn „betroffen gemacht“, daß der SPD-Spitzenkandidat „als Bauunternehmer aus den Hilton-Hotel“ den Abbau von Arbeitsplätzen fordere, sagte Landowsky in Anspielung auf Mompers Beruf und den Ort der Pressekonferenz. Landowsky bezeichnete es als „Horror“, daß der Stromversorger Bewag nach der Teilprivatisierung den Abbau von 4.000 Arbeitsplätzen angekündigt habe.

Zugleich verteidigte Landowsky die Weigerung der CDU, im Senat noch vor den Wahlen einen Haushaltsentwurf für das Jahr 2000 zu erarbeiten, wie es die Finanzsenatorin „mit ihrer Registrierkassenmentalität“ fordere. Die Schwerpunkte im Haushalt könnten sich erst aus den Koalitionsgesprächen ergeben. Fugmann-Heesing hatte zuvor kritisiert, daß die CDU-Senatoren die Haushaltsgespräche verschleppten. Bausenator Jürgen Klemann habe sie zehn Minuten nach dem geplanten Beginn eines Gesprächs angerufen und den Termin ersatzlos abgesagt. Momper und Fugmann-Heesing warnten den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) davor, bei den Gewerkschaften Hoffnungen auf ein Ende des Stellenabbaus zu wecken.

Momper kündigte an, daß die Berliner SPD in der kommenden Woche mit einer Kampagne zur Rentenreform beginnen wolle. Er halte das Zukunftsprogramm der Bundesregierung für „gerecht und verkraftbar“. Auch die Bundesprominenz der Partei werde während des Wahlkampfs „in die Speichen greifen, wie sie schon bisher in die Speichen gegriffen hat“. Offenbar hatte Momper den Sinn der Redensart falsch verstanden: Er wollte sagen, die Bundesregierung helfe der Berliner SPD. Zu den Wahlchancen der Union sagte Landowsky, er erwarte wie vor vier Jahren ein Ergebnis zwischen 35 und 40 Prozent. Eine Konstellation mit Diepgen als Regierungschef und Momper als Stellvertreter sei zwar „ein Stück leichte Körperverletzung“, die SPD müsse über ihre Personalien aber allein entscheiden. Zur Frage nach weiteren CDU-Aspiranten auf Kabinettsposten sagte der Fraktionschef, die Senatoren Werthebach, Radunski und Branoner seien „gute Leute“. Bei der Ressortaufteilung werde die CDU auf die Innenverwaltung „sicherlich Wert legen“, auch Kultur und Wissenschaft zählten zum Profil der Partei. Landowsky deutete an, daß der Koalitionspartner möglicherweise im Gegenzug erneut das Justiz- und Schulressort übernehmen könne. Ralph Bollmann

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