: Der Irak im Fadenkreuz
Die Flugverbotszonen bilden die Hauptfrontlinien im Kampf gegen das Regime von Saddam Hussein ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary
Der Kosovo-Krieg hat den Konflikt um den Irak fast vergessen lassen. Nun drängt er wieder in die Schlagzeilen, nach altbewährtem Muster. Laut irakischen Angaben sollen 18 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, ums Leben gekommen und weitere 17 verletzt worden sein, nachdem US-Kampfflugzeuge gestern Ziele in der südirakischen Flugverbotszone angegriffen haben. Ein US-Militärsprecher bestätigte die Angriffe, betonte aber, daß die Piloten in Selbstverteidigung gehandelt hätten, nachdem sie von irakischen Boden-Luft-Raketen attackiert worden seien. „Unsere Piloten haben sich angemessen verhalten, ihre Mission ausgeführt und ihr Leben geschützt“, erklärte David Leavi, Sprecher des amerikanischen nationalen Sicherheitsrates.
Die Iraker erklärten, daß es sich um zivile Ziele gehandelt habe, man sich aber gegen den Angriff verteidigt habe. „Unsere Raketenbatterien und Bodentruppen haben heroisch gegen die feindlichen Flugzeuge gekämpft und sie gezwungen, in ihre verräterischen Basen in Saudi-Arabien und Kuwait zurückzukehren“, zitiert die irakische Nachrichtenagentur einen Regierungssprecher.
Seit dem Abbruch der UN-Waffeninspektionen Ende letzten Jahres spielen die Flugverbotszonen neben den geltenden UN-Sanktionen für die Strategen in Washington eine zentrale Rolle bei dem Versuch, Saddam Hussein einzudämmen. Von der USA, Großbritannien und Frankreich kurz nach dem Golfkrieg 1991 einseitig ohne UN-Billigung eingerichtet, entwickelten sich die Flugverbotszonen inzwischen zur Hauptfrontlinie. Die dortigen Scharmützel gehören inzwischen zu einem regelmäßigen Prozedere, mit dem die USA und Großbritannien versuchen, das irakische Militärpotential zu schwächen. Dabei tritt fast so etwas wie ein Gewöhnungseffekt ein. Nach Angaben des Pentagon sollen gleichwohl bereits 20 Prozent der irakischen Luftabwehr zerstört worden sein. Angaben, die sich allerdings sowenig nachprüfen lassen wie die irakischen Vorwürfe, daß dabei meist Zivilisten zu Schaden gekommen seien.
Washington hofft indirekt, durch diesen Abnützungskrieg die irakischen Militärs gegen Saddam Hussein aufzubringen. „Wir versuchen, die Bedingungen für eine Veränderung in Bagdad zu schaffen“, erklärte Walter Slocomba, Unterstaatssekretär für Verteidigungsfragen, vor einem Militärausschuß des US-Senats. Angeblich erwartet die US-Regierung sogar, Saddam Hussein zu stürzen, bevor US-Präsident Bill Clinton im Januar 2001 aus dem Amt scheidet.
Jemand, der wissen sollte, wie das geschehen soll, der Chef der US-Truppen am Golf, Marinegeneral Anthony Zinni, hat im März die Doppelstrategie beschrieben. Die USA sollten sich darauf konzentrieren, Saddam Hussein langfristig militärisch zu schwächen und gleichzeitig seine Opponenten zu unterstützen, ließ er verlauten. Doch die Strategie hat ihre Tükken, wie Zinni selbst zugab: „Es gibt keinerlei Gruppen, von denen ich sagen könnte, wir könnten sie heute bewaffnen, damit sie nach Bagdad marschieren und das Regime stürzen“, gab der General zu.
Für Slocomba ist eine vielgefächerte Strategie gefragt. Clinton versuche, Saddam Hussein in einer strategischen Kiste einzuschließen und gleichzeitig die Unterstützung der Verbündeten einschließlich der arabischen aufrechtzuerhalten. Dabei sollen die UN-Sanktionen beibehalten werden, damit Saddam Hussein nicht mit den Ölprofiten neue Waffen einkaufen kann. Zusätzlich müsse eine starke US-Militärpräsenz am Golf jegliche irakische Aggression beantworten können, erklärte der Unterstaatssekretär für Verteidigungsfragen.
Aber auch er erwartet keine Wunder und dämpft allzu großen Optimismus, daß die Strategie bald Früchte trägt. „Wir glauben nicht, daß wir uns auf irgend etwas Bestimmtes zu einer bestimmten Zeit verlassen können, und ganz bestimmt nicht auf die Schnelle.“
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