: „Wenn es zu brenzlig wird, dann haue ich ab“
■ Vor den übermorgen beginnenden Schwimm-Europameisterschaften in der Türkei beschäftigt die deutsche Delegation vor allem die Furcht vor Aktionen der PKK
Frankfurt/Main/ Istanbul (dpa/taz) – Mit großen Titel- und Medaillenplänen, aber auch Angst vor Anschlägen und Bomben sind die deutschen Schwimmer gestern zu den Europameisterschaften in Istanbul geflogen. „Wenn es zu brenzlig wird, dann haue ich ab. Das sagen hier alle so“, erklärte Sandra Völker beim Abflug in Frankfurt. „Wir sind täglich mit dem Auswärtigen Amt verbunden und bemühen uns um den höchstmöglichen Sicherheitsstandard“, betonte der Präsident des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), Rüdiger Tretow.
Ein gewaltiges Aufgebot von rund 22.000 Polizisten und Sicherheitskräften soll die EM-Teilnehmer in Istanbul schützen. „Noch ist die Stimmung gut“, so DSV-Vize Sven Baumgarten, „aber wir müssen erst einmal abwarten, wie die Schwimmer auf die vielen Sicherheitskräfte reagieren. Vor allem müssen wir das Freizeitprogramm überdenken.“
Die Angst, daß die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nach dem Todesurteil gegen PKK-Führer Abdullah Öcalan die EM, an der über 1.000 Sportler aus 43 Ländern teilnehmen, als Bühne für Anschläge mißbrauchen könnte, ist groß. Mark Warnecke: „Wenn es mir dort nicht paßt, bin ich weg. Auf Cafés und Sightseeing werde ich wohl verzichten, auch wenn es mir schwer fällt.“ Franziska van Almsick bringt den Zwiespalt der Athleten auf den Punkt. „Ich freue mich auf die EM“, sagt die Weltmeisterin aus Berlin, „mein Sport bedeutet mir eine ganze Menge, aber mein Leben ist mir wichtiger.“ Das Organisationskomitee versucht zu beruhigen. „Es wurden alle Sicherheitsmaßnahmen getroffen“, erklärte Pressechef Murat Agca. Flughafen, Wettkampfstätten und Mannschaftsquartiere werden von schwerbewaffneten Kräften bewacht. An den Touristenplätzen ist das Polizeiaufgebot verstärkt worden.
Langstreckenschwimmerin Peggy Büchse aus Rostock soll das 69 Athletinnen und Athleten umfassende deutsche Team am Freitag bei der ersten Entscheidung als Titelverteidigerin über fünf Kilometer im Marmara-Meer vor Istanbul auf Medaillen- und Titelkurs bringen. Die Hoffnungen des DSV ruhen aber vor allem auf Sprintweltmeisterin und Weltrekordlerin Sandra Völker. Für Franziska van Almsick, 1997 nach einem Motorradunfall aus der Bahn geworfen, ist Istanbul nur Zwischenstation auf dem Weg zu Olympia 2000 in Sydney. Nachdem sich die Weltrekordhalterin für ihre Spezialstrecke 200 m Freistil nicht qualifizieren konnte, will sie in den Staffeln überzeugen. „Es wird Zeit, daß es endlich losgeht. Ich sitze wie auf Kohlen, ich will endlich die Power rauslassen.“
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