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Nach den Grünen ist vor den Grünen

■ Die Demokratische Linke proklamiert die Kampfansage an die Realpolitik. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus hofft die neue Partei auf den Zulauf enttäuschter Anhänger von PDS und Grünen

Auch Kleinigkeiten müssen mitunter demokratisch abgestimmt werden, und wenn es die Rauchpause ist. Bei der Demokratischen Linken, der neuen politischen Heimat für unzufriedene Mitglieder von SPD, Grünen und PDS, feiert die Basisdemokratie ihre Renaissance, mit allen Höhen und Tiefen.

Zwei neue Bewerber sind an diesem Montag, an dem die Listen für die Abgeordnetenhauswahlen aufgestellt werden, in die Fraktionsräume ins Rathaus Friedrichshain gekommen. „Ich würde gerne meine brachliegenden Fähigkeiten ausnützen“, beschreibt ein Mittvierziger mit zum Pferdeschwanz gebundenen langen Haaren sein Motiv, sich politisch zu engagieren. Der Dokumentarfilmer will für die BVV Friedrichshain kandidieren, trotz seines Interesses für „außenpolitische Geschichten“.

Bei den übrigen Aktivisten stößt das auf leichtes Unverständnis: „Was möchtest du in der BVV machen?“ will Birgit Marohn, ehemals PDS-Mitglied und seit Jahren im Bezirksparlament vertreten, konsterniert wissen. „Wir haben ein Verkehrsproblem, ein Wohnungsproblem und, wenn man so will, ein Bürgermeisterproblem.“ Schließlich entscheidet sich der Bewerber, fast achselzukkend, für den Kulturbereich.

Den Grundwerten Freiheit, Gleichheit und Solidarität ist es verpflichtet, das „Projekt von unten“, das sich jetzt als Alternative zu SPD, Grünen und PDS für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus präsentieren will. Die Erosion in den anderen Parteien, die sich vor allem bei den Grünen im Zuge des Kosovo-Kriegs manifestiert hat, soll die „neue Partei für Berlin“ nach oben katapultieren.

Rund 700.000 Wähler hätten den traditionellen Linksparteien ihre Zustimmung bei den Europawahlen verweigert, sagt Ida Schillen, parteilose Spitzenkandidatin für das Abgeordnetenhaus, zu den Chancen der Kleinpartei. Jetzt hofft die Dissidentin auf diese Nichtwähler aus dem linken Spektrum. Zumindest in den Bezirken Friedrichshain, Kreuzberg und Tempelhof rechnet man mit dem Einzug in die BVV.

Für viele der grünen Überläufer, die nach langjähriger Mitgliedschaft den Grünen den Rükken gekehrt haben, heißt die Vorgabe jetzt: Gehe zurück auf Los. „Entweder ich ziehe weg, oder ich bin weiter politisch für die Linke aktiv“, beschreibt Schillen ihre Überlegungen. Der Austritt aus der Partei der Grünen sei nicht der Abschied von der Politik gewesen. Es gehe darum, neue Antworten für die Linke zu finden.

Die Marge für den Einzug ins Abgeordnetenhaus liegt bei etwa 100.000 Stimmen. Vorerst mühen sich die Demokratischen Linken noch damit ab, die 2.200 Unterschriften für die Zulassung zum landespolitischen Urnengang einzusammeln.

Warum aber nicht zur PDS gehen, wenn man mit den Grünen nicht mehr einverstanden ist? „Da war ich schon“, lautet die lapidare Antwort von Claudia Nawrot, die die neue Partei im Mai 1997 als Abspaltung von der PDS Friedrichshain mit begründet hat. „Konservative und staatstragende Politik“ attestiert die gelernte Elektronikfacharbeiterin und Umweltpädagogin ihrer ehemaligen Partei. Auch für Schillen stand es nie zur Diskussion, sich ein Parteibuch der Demokratischen Sozialisten ausstellen zu lassen: „Die PDS ist eine autoritäre Struktur.“ Mit der rechten PDS-Abspaltung Linke Demokratische Liste (LDL) des Marzahner Bürgermeisters Harald Buttler will man trotz ähnlich klingenden Namens ebenfalls nichts zu tun haben.

Die „Demokratische Linke“ soll vor allem eines sein: eine Revolte gegen die Realpolitik. „Dem Gerede von Sachzwängen müssen klare politische Forderungen entgegengesetzt werden“, heißt es in einem Flugblatt. Schluß mit der Abschiebepraxis, keinen Fußbreit den Neonazis, weg mit dem Paragraphen 218, lauten einige Forderungen.

Vor allem aber werde man, so Schillen, der „neoliberalen Bedienung von Großinvestoren und Banken“ durch den Berliner Senat den Kampf ansagen. „Wir wollen die soziale Frage in den Mittelpunkt rücken.“

Feedback dafür gebe es bereits im größeren Umfang, beschreibt Schillen die Dankbarkeit der Basis, „vom Bürgerlichen bis zum Autonomen“. Ohnehin wolle man sich nur am Rande um Parteistrukturen kümmern, meint auch die Kunsthistorikerin Simone Hain aus Treptow, die auf Platz vier der DL-Landesliste kandidiert. Es gehe vielmehr um ein „politisches Projekt“, das den Kontakt zu Bürgerinitiativen und politischen Gruppen nicht scheue, verspricht Hain, stellvertretende Vorsitzende des Landesdenkmalbeirates.

Auf einem „Fest der Ausgetretenen“ will die Demokratische Linke am kommenden Sonntag in der Humboldt-Universität diskutieren, wie es mit der Berliner Linken jetzt weitergehen soll. Der eigenen Partei soll dabei die Rolle einer Stimme der außerparlamentarischen Bewegung im Parlament zukommen. Erst am 10. Oktober wird man sehen, ob die Stimmen dafür reichen.

Andreas Spannbauer

„Der Austritt aus der Partei der Grünen ist nicht der Abschied von der Politik gewesen. Es geht darum, neue Antworten für die Linke zu finden.“

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