: „Ich mußte mich doppelt beweisen“
Es gibt ein neues Buch über Gleichberechtigung im Hamburger Alltag: Frauen in vermeintlichen Männerberufen, akribisch dokumentiert von 1949 bis heute ■ Von Karin Flothmann
Wenn auf dem Nord-Ostsee-Kanal Not an der Frau ist, schleppt Birgit Ehlers auch schon mal ein Containerschiff durch die künstliche Wasserstraße zwischen den Meeren. „Auf Schleppern habe ich schon als Decksmann gearbeitet“, erzählt die 33jährige. Die Bezeichnung Decksfrau kennt die Branche nämlich nicht. Birgit Ehlers ist Hamburgs erste Hafenschifferin. Und als solche fand sie auch Eingang in das neu erschienene Buch „Die Ersten und das erste Mal ...“.
Frauen haben es in Hamburg immer wieder geschafft, in Männerdomänen einzudringen. Das dokumentiert Rita Bake, Referentin bei der Landeszentrale für politische Bildung, akribisch auf 157 Seiten. Mit dieser Recherche, so erläuterte Gleichstellungssenatorin Krista Sager (GAL) gestern bei der Präsentation des Buches, sollte aufgezeigt werden, inwiefern es seit 1949 gelungen ist, die Gleichberechtigung der Frauen im Alltag zu verwirklichen.
Für Birgit Ehlers war das kaum ein Problem. „Schon als Kind bin ich bei meinem Vater auf den Schleppern mitgefahren“, erzählt sie. Gelernt hat Birgit Ehlers ihr Handwerk beim Vater. Vor zehn Jahren legte sie dann ihr Hafenpatent ab. Seither arbeitet sie im elterlichen Betrieb und tuckert mit Barkassen auf Rundfahrt durch den Hamburger Hafen. Schwierigkeiten mit anderen Schiffern hatte sie dabei nie. „Der Hafen ist meine Familie“, sagt sie.
Susanne Bork hatte es schwerer. Sie ist „Hamburgs erster weiblicher Brandoberinspektor im gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst“, will heißen, seit 1995 führte sie bei der Feuerwache Berliner Tor einen Löschzug und 35 Feuerwehrmänner bei Massenunfällen oder Großbränden an. Vor drei Monaten avancierte die 32jährige zur stellvertretenden Pressesprecherin der Hamburger Berufsfeuerwehr. Ihr Fazit: „Vieles war als Frau schwerer. Ich mußte den Männern erstmal alles doppelt beweisen.“
Sieben Zeilen weisen im Buch auf die Brandoberinspekteurin hin. Viel länger ist kaum einer der unzähligen Einträge, die ein Stück Geschichte erzählen: 1950 beginnt Heike Schilling als erste Frau in Hamburg eine Maurerlehre, die sie drei Jahre später mit dem Gesellenbrief abschließt. 1954 macht die erste Frau ihr Patent zur Kapitänin auf großer Fahrt. Allerdings stellt keine Reederei sie als solche ein, so daß aus der Kapitänin notgedrungen eine erste Offizierin wird, die auf Handelsschiffen die Weltmeere durchquert.
1966 ist Clara Klabunde die erste Frau Deutschlands, die in Hamburg Präsidentin eines Landesarbeitsgerichts wird. Zehn Jahre später wird Dagmar Berghoff beim NDR die erste Tagesschau-Sprecherin. Seit 1979 dürfen Frauen erstmals „zur generellen Verwendung im Polizeivollzugsdienst“ eingestellt werden. Und seit diesem Jahr steht erstmals eine Frau an der Spitze der Hamburger Staatsanwaltschaft.
Ungebrochen sind diese Erfolge nicht. Schon 1948 forderte der DGB erstmals gleichen Lohn für Frauen und Männer. Statistiken belegen, daß Frauen noch heute durchschnittlich ein Drittel weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Und auch die Großen der Wirtschaft tun sich schwer. Bis heute sitzt immer noch keine Frau in den Vorstandsetagen der sogenannten DAX-Unternehmen, zu denen Deutschlands Großbanken, Karstadt, die Telekom oder die Lufthansa gehören. Dennoch bleibt Senatorin Sager optimistisch: „Ich bin ganz sicher, daß wir eines Tages die erste Bundeskanzlerin unter uns haben werden und die erste Vorsitzende der Deutschen Bank.“
Daß auch steile Karrieren von Frauen selten ungebrochen sind, beweist Barbara Sicker-Bähr. Sie war 1994 Hamburgs erste „Mordbereitschaftsleiterin“ in der Hamburger Mordkommission. „Anerkennung hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit fachlicher Kompetenz“, meint die 35jährige. Als sie 1988 bei der Mordkommission anfing, sahen das viele ihrer damaligen Kollegen nicht so. „Dort Akzeptanz zu finden, war ein hartes Stück Arbeit.“ Zuletzt war die Hauptkommissarin damit beschäftigt, eine neue Dienststelle aufzubauen. Dann wurde sie schwanger. Die Dienststelle wird jetzt von einem Kollegen aufgebaut. Barbara Sicker-Bähr ist im Erziehungsurlaub.
„Die Ersten und das erste Mal ...“ ist kostenlos erhältlich bei der Landeszentrale für politische Bildung, Große Bleichen 23
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