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Siemens rudert schneller

■ Gewinn und Umsatz steigen. Einige Unternehmensteile werden verkauft

Erlangen/Nürnbrg (taz) – Eigentlich hätten die 150 Journalisten aus aller Welt schon am Vorabend beim üppigen Menü auf der Nürnberger Kaiserburg ihre Headlines formulieren können. Geräucherter Seeteufel und gebratenes Kalbsfilet, dazu Konzernchef Heinrich von Pierer mit stolzgeschwellter Brust – alle ahnten, daß ihnen am nächsten Morgen eine Erfolgsbilanz der ersten neun Monate des Siemens-Geschäftsjahres präsentiert werden sollte.

In seiner alten Heimatstadt Erlangen hatte Pierer dann mit deutlichen Zuwächsen bei Umsatz (12 Prozent auf 92,2 Milliarden Mark) und Auftragseingang (11 Prozent auf 97,6 Milliarden Mark im Dreivierteljahr) ein Heimspiel auf der Baustelle eines neuen Gebäudes für den Bereich Medizinische Technik. Am meisten freuen konnte sich der Vorstand über den Anstieg des Gewinns nach Steuern, der um 17 Prozent wuchs und 2,086 Milliarden Mark erreichte. Fast drei Viertel des Geschäfts macht Siemens im Ausland, wo die Umsätze auch stärker wuchsen als in der deutschen Heimat. 444.000 Mitarbeiter beschäftigt der Konzern, davon 193.000 im Inland.

An den Ingenieuren der in Erlangen ansässigen KWU (Energieerzeugung) geht der Aufschwung des Traditionsunternehmens allerdings vorbei – mehr als 800 sollen ihre Arbeitsplätze räumen. Gestern wurde auch überraschend bekanntgegeben, daß der 60jährige KWU-Chef Adolf Hüttl Ende September durch Klaus Voges ersetzt. Voges war bisher Vorstand im Siemens-Bereich Energieverteilung.

Während im hart umkämpften Kraftwerksbereich abgebaut wird, sucht der boomende Bereich Automobiltechnik in München, „händeringend Ingenieure“. Am meisten zum wachsenden Gewinn von Siemens tragen allerdings die Automatisierungs- und Antriebstechnik, Information and Communication Networks sowie Medizinische Technik bei. Auch der Bereich Licht liefert mit der Traditionsmarke Osram mehr als 500 Millionen Mark Ertrag vor Zinsen und Steuern ab.

Als Verlustbringer sind nur noch Siemens Business Services, die Verkehrstechnik und der Bereich Halbleiter anzusehen. Aber den will der Konzern Anfang 2000 unter dem Namen Infineon in Deutschland und in den USA an die Börse bringen. Für die erste Tranche (ein Viertel der Infineon-Aktien) erwartet Siemens schon bis zu fünf Milliarden Mark neues Geld in der Kasse. Schon im Oktober sollen die passiven elektronischen Bauelemente unter dem Namen Epcos an der Börse Geld ins Haus bringen. Der Geschäftsbereich Elektromechanische Komponenten und das Gebiet Kassen- und Banksysteme sollen hingegen an Einzelinteressenten gehen.

Erfolge müssen Pierer und Kollegen schon aus eigenem Interesse vorweisen, denn nach dem neuen, leistungsabhängigen Vergütungssystem für die obersten 500 Führungskräfte des Konzerns werden nur noch 40 Prozent des Einkommens fix gezahlt, der Rest erfolgsabhängig. Zum Oktober 1999 wird die Bezahlung nach Leistung auf 3.500 leitende Angestellte erweitert, für den mittleren Führungskreis (25.000 Mitarbeiter) wird zur Zeit an Ideen gearbeitet.

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