Der Kampf um die privaten Steckdosen

In Hamburg können erstmals Privatkunden ihren Stromversorger frei wählen. Schon ist der dortige Exmonopolist HEW so stark unter Beschuß wie die Telekom auf dem Telefonmarkt  ■   Aus Hamburg Sven-Michael Veit

„Das wird heftiger werden als beim Telefon“, prophezeit einer, der „unter den Siegern sein will.“ Und dafür ist ihm, der „im Moment keinen Wert auf namentliche Erwähnung“ legt, nahezu jeder Preis recht, den andere zahlen. Der Hamburger Strommarkt steht unter Hochspannung: Die Metropole an der Elbe ist die erste deutsche Stadt, in der Stromanbieter ab 1. August ohne Sondergenehmigung auch Privatkunden versorgen können. Fast wöchentlich tritt eine neuer Anbieter mit der Behauptung auf den Plan, Privatkunden noch billiger Strom liefern zu können als die Konkurrenz.

Die Berliner Ares GmbH zum Beispiel, die Strom über die Elektrokaufhäuser der ProMarkt-Kette feilbietet, lockt mit Tarifen zwischen 15 bis 28,5 Pfennigen pro Kilowattstunde. Ab 1. August will sie die ersten tausend Haushalte unter Vertrag haben; die Hamburger Firma Hansestrom will Energie ihres finnischen Partners Fortum in die Hansestadt liefern; die Braunschweiger Versorgungs AG – eine Tochter der Braunschweiger Stadtwerke GmbH – lockt den Durchschnittshaushalt mit einer jährlichen Einsparung von „mehr als 230 Mark“.

Der bisherige Gebietsmonopolist, die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW), die zu 51 Prozent im Besitz der Stadt sind, reagiert nur langsam auf die Goldgräberstimmung – und vor allem mit skurrilen juristischen Abwehrgefechten. Gegen die Braunschweiger haben die HEW, die bislang im Schnitt gut 32 Pfennige von Privatkunden verlangen und Hamburg damit zur Stadt mit den bundesweit höchsten Strompreisen machten, am Donnerstag eine Unterlassungserklärung wegen unlauterer Werbung beantragt. „Die Werbung ist zu pauschal“, wirft eine HEW-Sprecherin den Braunschweigern vor. Richtig sei vielmehr, daß die HEW ab 1. August „einen gestaffelten Future-Tarif mit dreijähriger Laufzeit anbieten, mit dem wir bereits im ersten Jahr 50 Mark unter den Braunschweiger Preisen liegen“ werden.

Zudem verlangt der Noch-Monopolist von seinen Konkurrenten für jeden abgeworbenen Kunden eine „Zählerstandsermittlungsgebühr“ von 56,84 Mark für „zusätzlichen Verwaltungsaufwand“. Das sei „eine Markteintrittsbarriere“, schimpft Ares-Vorstand Andreas Rose. Sein Mitbewerber Andreas Grigoleit von Hansestrom kündigte an, gegen diese „Verhinderungsgebühr“ vor Gericht und das Bundeskartellamt zu ziehen: „Sonst müßte ich alles neu kalkulieren.“

Gemeinsam ist allen, die mit dem Strom schwimmen wollen, die Geringschätzung von Erneuerbarer Energie. Die HEW produzieren mehr als 75 Prozent ihres Stroms in den vier Atomkraftwerken, mit denen sie die Hansestadt umzingelt hat. Die Konkurrenz kauft meist an den großen Strombörsen in London, Oslo oder Amsterdam.

Inzwischen haben auch Privatkunden erkannt, daß mit geballter Verbrauchermacht die Rechnung zu drücken ist. Hamburgs stadteigene Wohnungsbaugesellschaft SAGA hat dem stadteigenen Energiekonzern HEW bereits rückwirkend zum 1. Juli billigeren Allgemeinstrom für Aufzüge, Treppenhausbeleuchtung und ähnliches abgehandelt: Jeder SAGA-Mieter dürfte dadurch etwa 20 Mark in Jahr sparen.

Den Frontalangriff aber startete am Freitag der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). Der Dachverband von 312 kommunalen Wohnungsgesellschaften in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern schrieb seine fast 800.000 Wohnungen mit einem Verbrauch von mehr als einer Milliarde Kilowattstunden im Jahr zur Stromversorgung aus. 53 Anbieter in ganz Europa wurden aufgefordert, Angebote einzureichen. „Wir wollen“, erklärt Verbandsdirektor Joachim Wege, „die Liberalisierung des Strommarktes dazu nutzen, den starken Anstieg der Miet-nebenkosten zu stoppen.“

Geradezu rührend wirkt da die Öko-Offensive der deutschen Greenpeace-Zentrale am Hamburger Fischmarkt. Die Umweltschützer beziehen seit 1. Juli in einem Probelauf von der Firma Ökostrom und den Stadtwerken Schwäbisch-Hall garantiert „sauberen Strom“ für etwa 35 Pfennig pro Kilowattstunde. Zum Jahresende soll, so Greenpeace-Experte Sven Teske, ein vom Umweltverband getestetes und empfohlenes „bundesweit gültiges Angebot“ vorliegen, das allen Privatkunden „den individuellen Ausstieg aus der Atomkraft“ ermöglicht. Die Frage ist nur, wer dann noch so viel für seinen Strom zahlen will.