: „Schreder! Schreder!“
■ Schröder betont bei seinem Kosovo-Besuch, daß Schutz der Menschenrechte nicht Parteilichkeit für die Albaner bedeutet
Als die neue Regierung in Deutschland die Amtsgeschäfte übernahm, waren viele albanische Kosovaren enttäuscht. Die rot-grüne Regierung wurde der Sympathien mit Serbien verdächtigt, ihre Außenpolitik als zu weich und zurückhaltend eingestuft.
Dagegen begrüßten viele Serben die neue deutsche Regierung und hofften mit umgekehrten Vorzeichen auf eine zögerliche Politik Deutschlands gegenüber dem Miloševic-Regime. Diese Einschätzung hat sich auf beiden Seiten grundlegend verändert. Mit Erstaunen haben die Kosovaren zur Kenntnis genommen, daß Deutschland die militärische Aktion der Nato mitgetragen hat, ja, daß die Deutschen zu den treibenden Kräften bei der „Intervention für die Menschenrechte“ (Kanzler Gerhard Schröder) gehörten.
Die „Schreder, Schreder“- und „Deutschland, Deutschland“-Rufe beim Besuch des Bundeskanzlers am Freitag in Prizren spiegelten diese Einschätzung der albanischen Kosovaren wider. Die Bevölkerung bereitete dem deutschen Regierungschef einen herzlichen Empfang. Die Schnelligkeit der Bundeswehr beim Einmarsch, die nach Ansicht vieler das Niederbrennen der Stadt durch die serbische Armee verhinderte, wird bewundert. Die klare Haltung der deutschen Bundeswehr in bezug auf den Schutz des Eigentums der serbischen Restbevölkerung und der Roma wird respektiert.
Daß die Deutschen Ordnung schaffen, gehört wohl zu den landläufigen Vorurteilen. Indem die Bundeswehr aber dafür sorgt, daß nicht nur Kriminelle ins Gefängnis wandern, sondern auch der Müll mit den eigenen Fahrzeugen weggeschafft wird, werden gerade diese positiv bestätigt. Die Abschiedsworte des Bundeskanzlers bei seinem Besuch im Kosovo galten denn auch den Bundeswehrsoldaten. Die Männer und Frauen der Bundeswehr hätten mit ihrem Dienst im Kosovo Deutschland ein neues Gesicht gegeben, sie träten ein für ein Deutschland, das Frieden schaffe. „Wir sind da“, sagte der Bundeskanzler, „weil wir zusammen mit unseren Verbündeten für Menschenrechte eintreten.“ Zuerst hätte die Bundesregierung die Menschenrechte der albanischen Bevölkerung wahren helfen. In Anspielung auf das Niederbrennen serbischer Häuser forderte er jedoch auch den Schutz der Serben. Um diese Position zu unterstreichen habe die Bundesregierung eine Million Mark für den Wiederaufbau serbischer Häuser zur Verfügung gestellt.
Daß die Bundesregierung an ihrer Haltung zum Schutz der Menschenrechte festhält, ist von der albanischen Bevölkerung jedoch in ihren Konseqenzen noch nicht begriffen worden. Sie glaubt, Deutschland habe für die Albaner Partei ergriffen – nicht für diese ihr abstrakt erscheinenden Prinzipien. Daß aber gerade die nationalistische Position von der deutschen Führung zurückgewiesen wird, zeigte sich, als Schröder nicht nur mit der kosovo-albanischen Führungsschicht, sondern auch mit der Führung der orthodoxen Kirche und kosovo-serbischen Oppositionspolitikern zusammentraf.
Erich Rathfelder, Prizren
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