■ Mit dem Altkleiderhandel auf du und du
: Sammeln und verdienen

Berlin (taz) – Das waren noch Zeiten, als der Pfarrer mit seiner Landjugend von Haus zu Haus zog und alte Kleider einsammelte. Die Frauenhilfe wusch, nähte und sortierte die nicht mehr ganz so guten Sachen liebevoll für den nächsten Basar oder zur Verschickung in die sogenannte Dritte Welt. Heute machen das Profis aus rein säkularem Milieu.

Denn Wunder: Alte Kleider sind viel wert, und jeder Sammelcontainer für abgelegte Sachen ist eine kleine Goldgrube. Allein in Deutschland werden pro Jahr ca. 270 Millionen DM mit Altkleidern umgesetzt. Hier hat sich mittlerweile ein Industriezweig mit über 10.000 Arbeitsplätzen im Altkleider-Geschäft entwickelt. Nach Angaben des Textilfachverbandes tauschen die Deutschen pro Jahr circa 960.000 Tonnen alte gegen neue Kleider aus. Mensch merkt es kaum: Der oder die Deutsche verbraucht pro Jahr etwa 24 Kilogramm Textilfasern, allein 12 Kilogramm an Bekleidung.

Für jedes neue Kilogramm Textil verbraucht die Industrie ca. 100 Liter Wasser. Kleiderverwertung hat also auch einen nicht zu unterschätzenden Öko-Aspekt. Immerhin eine halbe Million Tonnen, so die Schätzungen, werden jährlich von Altkleiderverwertern eingesammelt.

40 Prozent der eingesammelten Kleider werden als Recyclingware zu Putzlappen, Füll- und Dämmstoffen wiederverwertet. Schon die deutsche Autoindustrie hat einen jährlichen Bedarf von 40.000 Tonnen. Nur 10 Prozent der Altkleider sind wirklich zu alt und landen im Müll. Knapp die Hälfte sind wiederverwendbare Altkleider. Hier ist Handarbeit gefragt. Nur durch Begutachtung jedes einzelnen Stückes können die Alttextilien in den Sortieranlagen in bis zu 170 Fraktionen sortiert werden. Tragbare Altkleider der ersten Qualitäten (ca. 2 Prozent) werden in Second-Hand-Läden vermarktet. Eine Tonne dieser Altkleider bringt auf dem Weltmarkt einen Spitzenpreis von 7.000 bis 10.000 DM.

Das Geschäft lohnt sich, denn der Rohstoff ist für die Textil-Wiederverwertungsindustrie praktisch umsonst. Gebrauchte Kleider werden in den Industrieländern für wohltätige Zwecke gespendet und tonnenweise an Handelsgesellschaften in Europa und den USA für vielleicht 5 bis 10 US-Cent pro Kilo verkauft. Die gleiche Ware wird dann mit Gewinnspannen in Höhe von 600 bis 3.000 Prozent in Entwicklungsländern verkauft. Etwa ein Drittel der hier gesammelten Altkleider landet dort. Der Handel mit gebrauchter Kleidung vernichtet die einheimischen Textilindustrien in den Entwicklungsländern. Sambia und Simbabwe zum Beispiel haben seit Anfang der 90er Jahre mehrere 10.000 Arbeitsplätze in der heimatlichen Textilindustrie verloren. Über 200.000 Menschen haben dadurch schätzungsweise ihren Lebensunterhalt verloren. Ähnliche Probleme gibt es im ganzen lateinamerikanischen Gebiet. Simbabwe und Südafrika haben die Importe von gebrauchten Kleidern mittlerweile verboten. Eine Anzahl Länder in Afrika und Lateinamerika arbeiten daran, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen.

Den Kirchen ist der Aufwand für größere Kleidersammlungen nicht nur zu groß, sondern sie stellen den Entwicklungshilfeaspekt in Frage. Die Caritas in Berlin jedenfalls unterhält nur noch eine Kleiderkammer für Hilfsbedürftige, die sich auch hier in Berlin anziehen. Thomas Klatt