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Big Brother im Schusterladen

■ In den Filialen des Schuh- und Schlüsseldienstes „Mister Minit“ sollen Videokameras installiert werden. Die Mitarbeiter sind stinksauer

An der Wand des Schuh- und Schlüsseldienstes am Alexanderplatz prangt eine Urkunde der Geschäftsführung. Darauf dankt sie ihren beiden Mitarbeitern „für die hervorragende Führung einer Mister-Minit-Filiale“. Doch nun sollen diese ausgezeichneten Beschäftigten überwacht werden.

Vor zwei Wochen erhielt die Filiale, ebenso wie 17 andere in der Stadt, einen Brief von der Konzernleitung, in dem die baldige Installation von Videokameras angekündigt wird. Begründet wird dieser Schritt von der Geschäftsleitung mit der Vermeidung von Ladendiebstählen, die sich jährlich in den etwa 650 Filialen deutschlandweit auf „mehrere Milliarden Mark“ beliefen. Zudem gehörten Videokameras im Dienstleistungsbereich „zum normalen Alltag“. Daß dabei zwangsläufig auch Mitarbeiter gefilmt werden, sei „unvermeidbar“, hieß es weiter. Des weiteren glaubt die Geschäftsführung, einen positiven Nebeneffekt zu erreichen. Die Mitarbeiter, „die gewillt sind“, könnten durch die Videoaufzeichnungen „Schwachstellen“ bei Verkauf und Beratung analysieren.

Die Mitarbeiter indes sind gekränkt. Denn außer Schuhsohlen, Schuhcreme und Schnürsenkeln ist im Kundenbereich nicht viel zu holen. Ein Schuster von der Alexanderplatz-Filiale hält, wie auch Mitarbeiter anderer Filialen, den Ladendiebstahl nur für einen Vorwand, um das Personal zu überwachen. In dem Brief der Geschäftsleitung sei von „Zeitdiebstahl“ die Rede gewesen und damit könne wohl nur gemeint sein, die Mitarbeiter zu überwachen. „Wir kommen abends erst um Viertel vor neun aus dem Laden, da schenken wir der Firma eher noch Zeit“, schimpft der Schuster. Bei dem Gedanken an eine ständige Überwachung hat er „ein beschissenes Gefühl“. Außerdem fragt er sich: „Was sollen eigentlich die Kunden denken? Das hier nur Spitzbuben arbeiten?“. Mehr möchte er nicht sagen. Schließlich müsse man froh sein, „wenn man überhaupt einen Job hat“. Olaf Dimigen

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