piwik no script img

Eisiger Empfang für russische Truppen

■  Russen verwalten nun im Kosovo einen Minisektor. Sie wollen die Albaner überzeugen, daß sie mit Verbrechen nichts zu tun hatten

Die Russen kommen. Langsam aber gewaltig. Seit Sonntag verfügen sie im Kosovo sogar über einen eigenen Minisektor. Der Oberbefehlshaber der KFOR-Truppen, Michael Jackson, hat ihnen ein Gebiet zugeteilt, das während des Krieges eine Hochburg der albanischen UÇK war: Malishevo.

Dort übergab Bundeswehrhauptmann Henning Clement, Kompaniechef einer Panzerkompanie, den Oberbefehl an seinen russischen Kollegen, Major Andrej Rossinski, der mit 200 Fallschirmjägern aus Moskau in einer ehemaligen Weinkolchose Quartier bezog.

Am heutigen Mittwoch sollen nochmals 200 russische KFOR-Soldaten das Kontingent in dieser Region verstärken. Wie unbeliebt die Russen bei der Bevölkerung sind, konnten sie bei der Durchfahrt durch die fast vollständig zerstörten Dörfer selbst erleben: Keine Hand rührte sich zum Gruß, und wäre nicht der deutsche Hauptmann in einem Bundeswehrjeep vorausgefahren, um die Menschen zu beschwichtigen, „wären mit Sicherheit Steine geflogen“, sagt Henning Clement.

Innerhalb des russischen Minisektors liegt auch der Ort Ostrozup – der im Krieg von russische Paramilitäreinheiten komplett zerstört wurde. Mit Parolen wie „Russen und Serben sind Brüder“ haben sie ihre blutigen Visistenkarte an manchen Häuserwänden hinterlassen.

„Die russische Truppen wissen das“, sagt Hauptmann Clement, der mit seinem Gegenüber aus Moskau darüber gesprochen hat. „Aber sie versuchen die Bevölkerung zu überzeugen, daß sie damit nichts zu tun haben“.

Nach Kijevo, eine ehemalige Hochburg der UÇK, haben die Russen sogar schon Nahrungsmittel geliefert. Aber niemand will sie haben. „Sie sind hier nicht willkommen“, sagt der Lehrer von Ostrozup. „Sie sollten besser unsere Häuser reparieren, sie haben sie schließlich zerstört.“

Die russischen Fallschirmjäger erhalten vergleichsweise gute Bezahlung. 1.000 Dollar stehen jedem Soldat als Sold zu, davon kann man in seiner Heimat nur träumen. Ursprünglich wollten die Russen auch die Kontrolle über die noch von vielen Serben bewohnte Stadt Orahovac im „deutschen Sektor. „Aber das“, so sagt der deutsche Presseoffizier, Peter Michaltzki in Prizren, „haben wir mit aller Gewalt verhindert.“

In Orahovac haben deutsche Feldjäger Unterlagen entdeckt, die die Beteiligungvon Russen an Massakern belegen. Die Namen werden nun gesammelt und sollen an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag weitergeleitet werden. Unter diesen marodierenden Söldnern, so berichtete ein deutscher Militärpolizist in Orahovac der taz, habe er allerdings einige deutsche, griechische und französische Namen entdeckt.

„Versöhnung steht bei den meisten hier nicht auf der Tagesordnung“, sagt Jackson. In einer konzertierten Aktion sprengten Albaner am Wochenende mehrere serbisch-orthodoxe Kirchen in die Luft , so auch in Suva Reka und Mustice. Die deutschen KFOR-Truppen verschärften daraufhin den Schutz der in ihrem Bereich gelegenen Kirchen und Klöster.

Überhaupt sind Morde, Plünderungen und Brandstiftungen an der Tagesordnung. Statistisch gesehen wurde seit dem Einrücken der Kosovo-Friedenstruppe KFOR, die das Kosovo kontrollieren und die Sicherheit der Menschen gewährleisten soll, alle 24 Stunden ein Serbe getötet. Die KFOR versucht alles, um die Konflikte unter Kontrolle zu bekommen und betont – wie auch die UN, die mit dem Aufbau ziviler Strukturen begonnen hat – immer wieder, man habe trotz der Rückschläge „bemerkenswerte“ Fortschritte gemacht.

Doch es gibt auch Ausnahmen von der Regel „Auge um Auge, Zahn um Zahn“: das Kloster Decani bei Pec, wo Mönche während des Kriegs albanischen Flüchtlingen Unterschlupf gewährten. Nun bieten ihre Glaubensbrüder in einem Kloster bei Prizren 180 bedrohten Serben Zuflucht. Philipp Maußhardt, Malishevo

Nato-Oberbefehlshaber Jackson hat den russischen Truppen ein Gebiet zugeteilt, das eine UÇK-Hochburg war

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen