: Territorien der Haut
■ Zwei kanadische Künstler im Künstlerhaus Möörkenweg
Austausch mit fernen Kunstregionen ist eines der Anliegen der Künstlerhäuser. So hat jetzt im Sommer Bergedorf zwei hochinteressante Künstler aus Ottawa in Kanada zu Gast. Doch die Nationen der Kunst sind nicht die Staaten der Pässe: Die Fotokünstlerin Marion M. Bordier stammt aus Frankreich, der Maler Jos Mansilla-Miranda aus Chile.
Eine trocken-korrekte Beschreibung für die gezeigten lebensgroßen Fotografien wäre, sie als kopflose Gewandfiguren zu bezeichnen. Aber es käme dem unwirklichen Eindruck dieser auf schwarzem Grund schwebenden Erscheinungen kaum nahe. In dunkelleuchtende Satin- oder Seidenstoffe gehüllt, ist von den langzeitbelichteten Modellen gerade mal ein Fuß zu sehen, keine Arme, und vor allem kein Kopf. Wie geköpfte Heilige in der gewaltigen Pracht frühbarocken Faltenwurfs thematisiert Marion M. Bordier in der „Trauma“ genannten Serie die Zerbrechlichkeit des Menschen und die Flüchtigkeit des Geistes.
Auch Jos Mansilla-Miranda bezieht sich in seiner hochsymbolischen Kunst auf das Barock. Denn die katholisch-barocke Bilderwelt hatte eine entscheidende Bedeutung bei der Eroberung der indianischen Welt. Die Kultur Amerikas wurde durch die mittelmeerisch-antike Vorstellungswelt besetzt. Und doch blieb für Ausgrenzungen die Hautfarbe der Eroberten der Maßstab. „Skin-territory“ nennt es der Künstler, der sich in seiner Arbeit „Prophetic Wheel“ den eigenen indianischen Ahnen immer weiter annähert. In der doppelten Vertreibung, als Indianer in Chile und als Chilene in Kanada, bestimmt Jos Mansilla-Miranda seinen Ort über die Besetzung der Symbole im fragilen Territorium der Kunst.
Auf Doppelbildern, halb in militärischer Camouflage grundiert, halb blutrot leuchtend, fordern klassisch gemalte Ikonen, Tiere und Wortzitate ihre Bedeutung ein. Und je konkreter das Bild, so changierender die Bedeutung: Ist der Schafskopf vor Goldhalo ein heidnisches Opfertier, ein Christussymbol oder ganz aktuell bloß Dolly, das Klonschaf? Adler und Wolf, Iris und Lilie – all das ist schon so oft symbolisch besetzt und umgedeutet worden, dass es sich auch ohne traditionell erzwungene Bedeutung und Anbetung nun in die individuelle Mythologie des Künstlers und der Betracher einfügen kann.
Der Körper samt seinem auratischen Umraum und das ideelle Territorium gemeinsamer Symbole: Mit beiden Kunstkonzepten geben die weltgewandten Künstler Ersatzvorschläge für den Heimat- Begriff der transkulturellen Zukunft.
Hajo Schiff
Künstlerhaus Bergedorf, Möörkenweg 18, Sa + So, 15-18 Uhr, noch bis 15. August
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