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■ Mit Überstundenabbau auf du und duKeine neuen Jobs

Berlin (AFP) – Durch den Abbau von Überstunden lassen sich nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weit weniger Arbeitsplätze schaffen als bisher angenommen. Das Institut legte gestern in Berlin die Ergebnisse einer Studie vor, der zufolge bei einem konsequenten Überstundenabbau in Deutschland realistischerweise höchstens 20.000 Arbeitsplätze statt der erhofften 400.000 bis 900.000 Stellen entstehen dürften. Möglicherweise gehe der Beschäftigungseffekt sogar „gegen null“, sagte ein Sprecher des Instituts. Das DIW gilt als arbeitnehmerfreundlich und politisch der SPD und den Gewerkschaften nahe stehend.

Rein rechnerisch ergäbe sich nach Angaben des Instituts ein Bedarf an bis zu 185.000 neuen Arbeitskräften in der Privatwirtschaft, sollten die zuletzt 1,8 Millionen jährlich gegen Bezahlung geleisteten Überstunden per Gesetz eingedämmt werden. „Machbar“ sei dabei die Streichung von maximal 40 Prozent der geleisteten Mehrarbeit, um Neueinstellungen zu fördern.

Das Rechenspiel stößt sich nach Angaben der Wirtschaftsforscher jedoch an Praxis und Struktur des Arbeitsmarktes: Das Gros der bezahlten Mehrarbeit falle in höher qualifizierten Bereichen an, für die nur schwer Ersatz auf dem Arbeitsmarkt beschafft werden könne. Viele Erwerbslose seien unterqualifiziert oder gesundheitlich beeinträchtigt und könnten die potenziell entstehenden Lücken somit kaum schließen.

Neueinstellungen wären laut DIW fast ausschließlich in gering qualifizierten Bereichen zu erwarten und dies auch nur in minimalem Umfang. Vor allem in Westdeutschland müssten Facharbeiter und qualifizierte Angestellte indessen mit „nennenswerten“ finanziellen Einbußen rechnen, würden ihnen die bezahlten Überstunden gestrichen.

Als Hauptgrund für ihre pessimistische Einschätzung nannten die Wirtschaftsforscher den Trend zu unbezahlter Mehrarbeit in Deutschland: Vielfach werde Mehrarbeit per Freizeitausgleich abgegolten oder mit Hilfe von Arbeitszeitkonten aufgefangen, was den Spielraum für potenzielle Beschäftigungseffekte einenge. Auch sei verstärkt zu beobachten, dass Überstunden gar nicht erst erfasst, sondern ab einer gewissen Gehaltsstufe automatisch und ohne gesonderte Abrechnung erwartet würden.

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