: „Das Sabbatjahr tut einfach gut“
■ Ein Lehrerehepaar hat in der Aus-Zeit neue Motivation für die Arbeit gesammelt / Altersteilzeit können sie erst später antreten
Ein Jahr arbeitsfrei – und dann immer noch Wünsche offen? Für Margot Günther trifft das zu. Die 50jährige Lehrerin wollte während ihres jetzt zu Ende gehenden „Sabbatjahres“ Schmieden lernen. Das fiel aus. „Und jetzt ist es dazu viel zu heiß.“ Auch China hätte die Lehrerin an der Gesamtschule West gerne gesehen. „Aber vielleicht ist es gut, eine Sehnsucht zu haben, die nicht erfüllt ist“, sinniert sie laut. Während ihrer rund 10monatigen Reise durch Asien, gemeinsam mit Ehemann Jürgen, ebenfalls Sabbat-Lehrer an der Berufsschule für Elektrotechnik, hat sie von anderen „Travellern“ nämlich auch Schlechtes über das Land der Mitte gehört. „Vielleicht ist es besser, einfach die Idee davon zu erhalten“, schließt die Bremer Gesamtschullehrerin.
Sie und ihr Mann gehören zur ersten Generation von Bremer LehrerInnen, die für ein ganzes „Sabbatjahr“ den Unterricht und den Schulalltag hinter sich ließen. Vier Jahre haben die beiden Vollzeitkräfte dafür auf einen Teil ihres Beamtensoldes verzichtet. Im fünften sind sie auf große Fahrt gegangen. Den Reiseantritt legten sie so, dass Margot Günther ihre letzte zehnte Klasse noch bis zum Abschluss begleiten konnte.
Das Lehrerehepaar, das sich bewußt zusammen frei genommen hat, war unter den ersten, die das Sabbattjahr in Bremen beantragten. „In anderen Bundesländern gab es das schon länger. Wir haben sehnlich drauf gewartet.“ Sich das Aus-Jahr selbst zu organisieren, wäre zwar auch möglich gewesen, räumen sie ein – „aber mir war es lieber, jemand anders spart für mich“, lacht Margot Günther. Außerdem seien so Krankenkassenbeiträge und Rente gesichert. Nur eines war beim Aufbruch nicht ganz klar: Dass die Rückkehr an die alte Schule nicht garantiert war. „Aber es klappt jetzt“, sind beide erleichtert.
Zwischen der Entscheidung für das Sabbattjahr und der Rückkehr in die Schule nach den Sommerferien liegt für das Ehepaar nicht nur eine fette Reiseerfahrung – und jede Menge frischgewonnene Lockerheit im Umgang mit Neuem. Auch sonst trat Unvorhersehbares ein. Als die Entscheidung zum sabbatten vor fünf Jahren fiel, gab es beispielsweise die Enkelkinder Marie und Emil noch nicht – und also auch nicht die Sorge, ob der kleine Emil Oma und Opa nach langer Reise überhaupt wiedererkennen würde. Und auch die Möglichkeit zur Altersteilzeit für Beamte gibt es erst seit Neuestem. Für Jürgen Günther, der die Altersvoraussetzung von 55 Jahren gerade erreicht hat, birgt die Reise – so gesehen – auch einen winzigen Wermutstropfen. Obwohl er meistens Vollzeit gearbeitet hat, gilt er wegen des Sabbatjahres jetzt als Teilzeitlehrer. Die Altersteilzeit, bei der es für halbe Arbeit 80 Prozent des bisherigen Geldes gibt, kann er erst antreten, wenn er innerhalb von fünf Jahren drei Jahre „voll“ gearbeitet hat. Trotzdem bereut er es nicht, die Aus-Zeit genommen zu haben. „Trekking in Nepal mit 65 ist nicht das Ideale“ sagt er. Eine lange Reise war von Anfang an der größte Wunsch der Günthers.
Auch auslaufende Lebenszeit war einen Grund, das Sabbatjahr jetzt anzutreten. Kurz bevor die Entscheidung fiel, hatten beide Ehepartner innerhalb kurzer Zeit je einen Elternteil verloren. „Dann blickt man schon zurück und fragt sich, ob das alles gewesen sein soll“, sagt Margot Günther. Seit ihre älteste Tochter zwei Jahre alt war, hat sie das volle Deputat abgeleistet. „Und in den Sommerferien haben wir Jugendlager für die Falken geleitet.“ Darüber wuchs das Gefühl, „dass wir was für uns machen wollten.“ Dieses Gefühl ist auch nach der Reise nicht weg.
Auch miteinander hat das Ehepaar eine neue Zeit erlebt – was nicht immer einfach war. „In Deutschland haben wir uns mehr oder weniger meistens die Klinke in die Hand gegeben“, sagen beide. Der Alltag sei von Organisatorischem zerfressen gewesen. Auf der Reise dann, in einsamen Dörfern Asiens, „wo die Leute schon abends um sieben im Schlafanzug auf der Straße stehen und warten, dass du gehst“, wurde alles anders. „Da muß man neu lernen zu reden. Und auch, mal zusammen zu schweigen“, sagt Margot Günther.
Der Abstand zum alltag hat beiden neue Perspektiven erschlossen. Selbstkritisch sagen sie: „Man nörgelt hier manchmal zu viel herum.“ In anderen Ländern, in Thailand, Laos, Vietnam, Kambodscha, Malaysia, Indien und Nepal haben sie sich Unterricht, Schulkinder und Schulhäuser bewusst angeschaut. „Da fällt es leichter Wert zu schätzen, was wir hier haben.“
Aufsehen haben Lehrerin und Lehrer mit dem Rucksack auf dem Buckel dabei unterwegs weniger erregt als angenommen. „Wir waren zwar die Ältesten“, sagen sie. „Aber das war mehr für uns ein Thema als für die jüngeren Leute, die man so trifft.“ Dass die auf „Sabbatjahr“ waren, habe dagegen wenig Aufsehen erregt. „Nur ein Deutscher hat sich über faule Lehrer und Sabbatjahre lustig gemacht“, berichtet Margot Günther verärgert. Die Reisenden der anderen Nationen – darunter viele US-AmerikanerInnen, AustralierInnen, BelgierInnen und HolländerInnen – fanden nichts Besonderes dabei. „Die kennen das Sabbatjahr in viel stärkerem Maß als wir in Deutschland“, erfuhr das Lehrerehepaar – und auch, dass in Belgien sogar Industriebetriebe ihren MitarbeiterInnen längere Zeiträume regelmäßig zur persönlichen Fortbildung freigeben.
Frei werden die beiden in nächster Zeit allerdings nur in den Ferien haben – obwohl sie mit Alters-teilzeit liebäugeln. „Das klingt sehr gut“, sagen die beiden Beamten. Schon jetzt wissen sie: Die in Altersteilzeit erwirtschaftete Freizeit wollen sie aber lieber ans Ende ihrer Berufstätigkeit legen – und dann im „Block“ die Schule früher hinter sich bringen. Das sagen sie ganz nüchtern. Aber vorerst „freuen wir uns darauf, wieder zur Schule zu gehen.“ ede
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