: Kongo: Angeblich 500 Tote bei Luftangriffen
■ Sudanesische Bomber sollen Massaker in Fischerdörfern angerichtet haben. Rebellenführer Bemba beschuldigt Kabila und droht mit Abbruch des Friedensprozesses. Die Bereitschaft zu einer neuen Kriegsrunde wächst
Berlin (taz) – Der wohl bisher mörderischste Luftangriff im laufenden Krieg in der Demokratischen Republik Kongo droht die Hoffnungen auf Frieden erneut zu begraben. 524 Tote soll es nach Darstellung des Rebellenführers Jean-Pierre Bemba gegeben haben, als sudanesische Antonow-Maschinen im Dienst der Regierung von Präsident Laurent Kabila Ortschaften im rebellenbeherrschten Norden des Landes angriffen. Die Orte Makanza und Bogbonga auf der gegenüberliegenden Seite des Kongo-Flussufers seien am Morgen unter Beschuss gekommen, als gerade ein Fischmarkt stattfand.
Dadurch kamen 384 Zivilisten und 134 Rebellenkämpfer ums Leben, berichtete Jean-Pierre Bemba, Führer der „Kongolesischen Befreiungsbewegung“ (MLC), die mit Ugandas Unterstützung den gesamten Norden des Kongo kontrolliert, am Mittwochabend. Er revidierte die Zahl gestern nach oben und sagte, die Suche nach Opfern gehe weiter.
„Es gab eine sehr große Menschenansammlung“, sagte Bemba der BBC. „Niemand erwartete das. Wir dachten, es herrsche ein Waffenstillstand und alle waren entspannt.“ Die Bevölkerung der bombardierten Orte sei in die umliegenden Wälder geflohen. Der Rebellenchef fügte hinzu: „Wir sind schockiert. Ich meine, dass Kabila den Waffenstillstand gebrochen hat.“ Der Nachrichtenagentur AFP sagte Bemba: „Dieser Angriff beweist, dass Kabila nicht an einer friedlichen Lösung interessiert ist. Ich glaube daher, dass es besser ist, mit dem Verhandeln aufzuhören.“
Wenn Bemba das ernst meint, hat es weitreichende Konsequenzen. Erst am vergangenen Sonntag unterzeichnete Bemba das Waffenstillstandsabkommen, das die Regierungen der am Kongo-Krieg beteiligten Länder am 10. Juli unterzeichnet hatten. Zwischenzeitlich hatte er entscheidende Geländegewinne im Norden des Kongo erzielt. Nach seiner Bereitschaft zum Waffenstillstand drohte Bemba aber, seine Unterschrift bis zum kommenden Wochenende wieder zurückzuziehen, sollte die weiter südlich im Kongo kämpfende Rebellenbewegung „Kongolesische Sammlung für Demokratie“ (RCD) nicht bis dahin ebenfalls ihre Unterschrift liefern.
Der andauernde Streit zwischen zwei konkurrierenden Flügeln der RCD, die jeweils von Uganda und Ruanda unterstützt werden, hat seit dem 10. Juli das Zustandekommen einer RCD-Unterschrift unter den Vertrag verhindert. Ohne die Unterschrift beider Rebellenbewegungen kann das Abkommen nicht umgesetzt werden.
MLC-Chef Bemba warnte bei seiner Unterschrift außerdem, dass seine Truppen sich weiterhin verteidigen würden, sollten sie von Kabila angegriffen werden. Dies ist nun rein zufällig genau zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Regierung von Sambia versucht, eine Einigung zwischen den beiden RCD-Flügeln herbeizuführen – so als wolle Kabila unter allen Umständen das Inkrafttreten des Vertrages verhindern. „Dies wird uns nicht ermutigen, einen Frieden zu schließen“, sagte RCD-Sprecher Lambert Mende gestern.
So scheinen nun alle einheimischen Kriegsparteien im Kongo zu einer neuen Kriegsrunde bereit zu sein. Kongos Regierung hat die Luftangriffe nicht einmal förmlich dementiert, sondern Informationsminister Didier Mumenge sagte lediglich, er wisse davon nichts. Am Tag der Angriffe hatte der von Simbabwe beherrschte Generalstab der auf Kabilas Seite kämpfenden Truppen bereits erklärt, die Rebellenseite würde den Waffenstillstand brechen.
Ein Grund für die kriegerische Stimmung könnte sein, dass Frieden Kabila nicht gut bekommt. Denn je konkreter der Frieden wird, desto lauter meldet sich in der Hauptstadt Kinshasa wieder die zivile Opposition zu Wort. So riefen die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst am Montag einen unbegrenzten Generalstreik aus. Neun Gewerkschaftsfunktionäre wurden am Dienstag festgenommen, bevor die Regierung am Mittwoch erklärte, sie werde die Forderungen der Streikenden erfüllen. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen