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Sonnenenergie geht im Westen auf

Auf 100.000 Dächer sollen staatlich geförderte Solaranlagen gestellt werden. Bislang leisten sich hauptsächlich Bayern den teuren Strom aus der Sonne  ■   Von Christof Huth

Berlin (taz) – Das 100.000-Dächer-Programm der Bundesregierung hat seit Jahresbeginn Förderzusagen für 2.040 Solarstromanlagen ermöglicht. Damit wird die Anzahl der im Vorjahr errichteten Anlagen deutlich überschritten. Allein in Bayern blickt die Solarwirtschaft zufrieden auf 649 geförderte Aufträge mit einem Umsatzvolumen von rund 20 Millionen Mark.

Seit Juli können sich neben Privatleuten auch kleine Gewerbebetriebe ihre Solaranlage auf dem Dach finanzieren lassen. „Wenn das Programm wie geplant verwirklicht wird, wird sich in den nächsten sechs Jahren die installierte Leistung von Solarzellen verzehnfachen“, schätzt etwa Siemens-Solar-Geschäftsführer Gernot Oswald.

Das Förderprogramm wurde auf Bundesebene zum Erfolg, obwohl damit ein kostendeckender Betrieb der Solarstromanlagen bei weitem nicht erreicht wird. An den neuen Bundesländern aber geht das 100.000-Dächer-Programm weitgehend vorbei. Die 103 Anlagen in Ostdeutschland machen nicht einmal fünf Prozent aller Anlagen aus. Das in Berlin erfolgreiche Solarunternehmen P + P Schoenau hat bisher keine einzige Solarstromanlage nach Brandenburg verkauft, obwohl das Unternehmen zahlreiche Ausstellungen in dem an Berlin angrenzenden Land organisiert hat. Die Firmenleitung sieht als Ursache nicht etwa geringer entwickeltes Umweltbewusstsein, sondern fehlendes Geld. „Die Interessenten sind von der Technik begeistert. Zu Hause prüfen sie dann ihr Monatsbudget, stellen das Fehlen freier Mittel für die erhebliche Zusatzbelastung fest und geben ihre Pläne auf.“ Dabei könnten die Brandenburger noch eine ergänzende Landesförderung erhalten.

Sachsen als bevölkerungsreichstes neues Bundesland verzichtet seit Jahren auf die Förderung von Solarstrom. Der größte ostdeutsche Anbieter Solarwatt Dresden GmbH sieht die Absatzchancen deutlich steigen, wenn das 100.000-Dächer-Programm auf die Bedingungen der neuen Länder zugeschnitten würde. Bayern-ähnliche Einnahmen aus dem Breitengeschäft könnten dann in die Weiterentwicklung der bundesweit bekannten Solarwatt-Sonderanfertigungen gehen.

Die Abkopplung des Ostens von der Zukunftstechnologie Solarstrom wird sich noch weiter ausprägen, weil neben Privatpersonen ab sofort auch mittelständische Unternehmen das 100.000-Dächer-Programm nutzen und ihrer Firma einen Solarstromanteil verschaffen können. In welchen Bundesländern das hauptsächlich zum Tragen kommt, ist sonnenklar. Uwe Hartmann, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), erhofft sich angesichts dieser Situation positive Impulse vom Regierungsumzug: „Durch den Ortswechsel wird sich die Wahrnehmung der Noch-Bonner Politiker für die neuen Länder schärfen. Damit das 100.000-Dächer-Programm auch dort greift, muss der Fördersatz deutlich erhöht werden.“

Bislang deckt der Betrieb von Solaranlagen noch längst nicht die Kosten. Eine typische Solaranlage mit 2 Kilowatt Höchstleistung kostet mindestens 24.000 Mark und erzeugt pro Jahr 1.600 Kilowattstunden Strom, wenn sie gut eingerichtet ist. Diese Anlage hält rund 20 Jahre und bringt im Mittel 320 Mark im Jahr an Stromkostenersparnis. Das 100.000-Dächer-Programm finanziert die Anlage zinslos über 10 Jahre und schenkt dem Anlagenbesitzer ein Achtel der Tilgungsraten. Dieser muss also 21.000 Mark in 10 Jahren aufbringen – die Anlage bringt aber nur 6.400 Mark in 20 Jahren ein.

Dabei wird das Prinzip der kostendeckenden Föderung etwa bei der defizitären Steinkohle seit Jahren wie selbstverständlich befolgt: Dafür stehen in den Haushalten 1998 und 1999 jeweils 7,6 Milliarden Mark zur Verfügung. Das 100.000-Dächer-Programm dagegen soll über 6 Jahre nur mit 1 Milliarde Mark auskommen.

Die deutsche Steinkohle wird mit 7,6 Milliarden Mark im Jahr kostendeckend gefördert, der Solarstrom muss mit 1 Milliarde Mark auskommen

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