Des Menschen Traum vom Flug in den Raum

Das Jubiläum der Mondlandung, Sonnenfinsternis, Ferien im All: Kurz vor dem Millennium sind die Menschen in Weltraumstimmung. Statt der Space-Hysterie zu verfallen, empfehlen wir Mondlektüre. Der Körper auf Erden, der Kopf im Himmel  ■ Von Marc Bielefeld

Selbst die kühl kalkulierenden Astronauten hat der Weltraum nicht kalt gelassen. Alan Shepard, der Kommandant von Apollo 14, soll geweint haben, als er den Mond betrat. Und viele seiner Allkollegen berichten noch heute von dieser unbeschreiblichen Magie der schwärzesten Schwärze, die sie jemals gesehen haben. Da oben. Ausgerechnet da oben, wo nichts ist außer ein vielleicht endloses Vakuum mit – vielleicht – einem graubärtigen Gott drin, soll es selbst rein technisch denkenden Fliegerassen den Kopf verdrehen.

Die zwölf Mitglieder des exklusivsten Herrenclubs der Welt, also all diejenigen, die höchstselbst auf unserem Trabanten herumspazieren durften, waren einhellig der Meinung: Die Reise zum Mond war ein Wendepunkt in der Evolution des Menschen.

Diese Erkenntnis ging an manchen von ihnen nicht vorbei, ohne Spuren zu hinterlassen. Alan LaVern Bean (Apollo 12) lebt heute, ganz unastronautisch, als Maler in Texas. Charles Duke (Apollo 16) arbeitete nach seiner Tätigkeit für die Nasa für eine Brauerei. Und dann ist da noch James Benson Irwin (Apollo 15). Auf dem Mond hatte Irwin eine, wie er sagte, „göttliche Eingebung“. 1972 verließ er die Nasa, gründete eine christliche Gemeinde, wurde Priester und organisierte forthin Expeditionen zum heiligen Berg Ararat, um nach Resten von Noahs Arche zu suchen.

Übergeschnappt oder nicht – in einen spirituellen Sog sind viele Erdlinge gekommen, die im Weltraum waren. Und nicht nur die.

Viele Menschen beschäftigen die unendlichen Weiten dort oben. So sehr, dass sie an die nahende Apokalypse glauben, an grüne Männchen, die ja in Wirklichkeit silbrig violett sind, an außerirdische Übermächte von weiß der Teufel woher.

Dieser extraterrestrischen Spökenkiekerei wird gerade zur Zeit jede Menge Zunder gegeben. Im allgemeinen Milleniumwahn ist das All wieder zum großen Thema geworden.

Ein japanischerTechnikkonzern hat die erste Touristenrakete auf dem Reißbrett bereits fertig. „Konkoh Maru“ heißt das Geschoss, das Meiers und Müllers in ein paar Jahren in das erste Space-Hotel befördern soll. Ein Mondführer – in jedem Buchhandel erhältlich – klärt mehr oder weniger ernst über die Wahrscheinlichkeit auf, demnächst als zahlender Zivilist selbst in den Orbit geschossen zu werden. Inklusive Tips, wie man in lunarer Asche golfen, wandern oder tanzen kann.

Die anstehende Sonnenfinsternis gibt Anlass zu Zauber und Gezeter – manch einer versteigt sich zu spirituellen Höhenflügen, andere sehen den Tag des jüngsten Gerichts nahen. Reiseketten wie etwa Thomas Cook vermarkten die Möglichkeit, sich in einem Mondregister für erste Shuttle-Flüge zum Trabanten einzutragen. Hinzu kommen diverse Erlebnisparks in den USA, einer in Moskau, wo mit dem Alltourismus bereits auf Erden ein gutes Geschäft gemacht wird.

Doch das erste wirkliche Ticket to Space, so Experten vom jährlich stattfindenden „Symposium on Space Tourism“ in Bremen, wird es frühestens in zwanzig Jahren geben – eine halbe Stunde im Orbit für mehrere hundertausend Dollar. Viel Spaß, Bill Gates!

Für die ganz bodenständigen Menschenbürger, die Parteien wählen und nicht sich selbst, sieht es anders aus. Die werden wohl nie ihren Traum vom Raum verwirklichen werden können.

Indes lässt sich ein Trip ganz anderer Art arrangieren. Auch ins All – zumindest in Gedanken. Statt sich vom allgemeinen Space-Hype anstecken zu lassen und kühnen Versprechungen zu glauben, hier ein paar allseits taugliche Buchtips, die einen die Welt des Weltraums auf wesentlich klügere Art und Weise erschließen lassen. Auf Erden. Ganz gemütlich im Sessel, ob es nun gewittert oder nicht.

Da wären:

Michael Light, Full Moon. Frederking & Thaler 1999, 244 S., 98 Mark:

Ein wirklich opulenter Bildband mit bisher unbekannten, didgital nachbearbeiteten Aufnahmen aller Apollo-Missionen der Nasa. Mit großen Aufklappern bestückt, vermittelt einem das Werk den Eindruck, als stünde man selbst auf dem Mond. Eine weite visuelle Reise.

Andrew Chaikin, A Man on the Moon. Penguin Books 1998, 704 S., ca. 46 Mark:

Alle Apollomissionen sind hier bis ins Detail beschrieben. Auch erfährt man hier, warum die Frauen der Herren Astronauten schon mal ordentlich einen gekippt haben. Das romanähnliche Sachbuch ist die Grundlage für Tom Hanks 12-teilige HBO-TV-Serie „From the Earth to the Moon“. Für Träumer ebenso wie für Technikhungrige. Leider bisher nicht auf Deutsch.

Tom Wolfe, Die Helden der Nation. Knaur 1996, 463 S., 14,90 Mark:

Eine kritische, aber höchst spannende Auseinandersetzung mit den Anfängen und Motiven von Amerikas Raumfahrtprogramm – von Tom Wolfe, der Galionsfigur des New Journalism. Da versackt man mit den ersten Raketenassen auf einer Ranch in New Mexico, bekommt aber auch einen Einblick ins politische Chaos des Space Age der 60er. Eine literarische Raumreise.

Aldrin Buzz & John Barnes, Begegnung mit Tiber. Heyne 1998, 654 S., 44 Mark:

Co-Autor dieses Buches ist niemand anderes als der zweite Mann auf dem Mond: Buzz Aldrin. Mit jeder Menge Fachwissen und Fantasie beschreiben die Autoren eine Reise zum Mars und die Suche nach außerirdischem Leben. Sciencefiction, ganz realistisch.