Schröder-Nummer zieht nicht

■  Wahlforscher Hans-Dieter Klingemann vom Wissenschaftszentrum Berlin analysiert das Formtief der SPD: Walter Momper besetzt keine Themen und strahlt keine Wirtschaftskompetenz aus

taz: Je länger der SPD-Spitzenkandidat Walter Momper Wahlkampf macht, desto mehr sinken die Umfragewerte der SPD. Derzeit liegen sie bei nur 21 Prozent. Woran liegt es?

Hans-Dieter Klingemann: Momper ist vielleicht nicht der richtige Mann. Sogar ein nicht unbeträchtlicher Teil der SPD-Wähler wünscht sich einen anderen Kandidaten. Außerdem besetzt Momper keine eigenen Themen, die für den Wähler sichtbar mit seinem Namen verbunden sind.

Momper will doch Wirtschaftspolitik zur Chefsache machen.

Das mag sein. Aber ob die Bürger ihm diese Kompetenz zusprechen, ist die Frage. Ich glaube nicht, dass er in wirtschaftspolitischen Fragen als besonders kompetent angesehen wird.

Warum nicht?

Wo hat er sich denn diese Meriten verdient? Er hat erkennbar noch keine wirtschaftspolitischen Erfolge gehabt.

Was ist Mompers größtes Handicap?

Viele Berliner finden ihn unsympathisch.

Wie ist Mompers Image?

Er wird wahrgenommen als jemand, der mit allen Wassern gewaschen ist. Einer, dem man vielleicht nicht so ganz trauen würde.

Wie lässt sich dieses Image noch positiv wenden?

Das ist die 100-Dollar-Frage. Ich glaube nicht, dass das noch positiv gewendet werden kann. Das Wahlergebnis hängt ja auch von der bundespolitischen Stimmungslage ab. Wenn sich noch mehr SPD-Größen kritisch zu Schröders Programm äußern, hat Momper gar keine Chance.

Stadtweit hängen Plakate, die Momper an der Seite von Bundeskanzler Schröder zeigen. Die SPD erhofft sich Rückenwind durch gemeinsame Auftritte mit dem Kanzler. Bringt das Punkte?

Die Leute stellen natürlich auch Vergleiche an. Wenn man sich mit Schröder zeigt, müsste man ein bisschen in dessen Schuhe passen. Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht nach hinten losgeht.

Die SPD will von der Strahlkraft des Kanzlers profitieren. Funktioniert das überhaupt ?

Ich glaube es nicht. Es müssen immer zwei Sachen zusammenkommen: Es muss ein integrer, glaubwürdiger Kandidat da sein, und es muss eine Botschaft da sein. Beide müssen zusammenpassen. Man kann nicht irgendwelche Gesichter auf Plakaten abbilden, ohne zu sagen, wofür die stehen.

Die Berliner SPD macht derzeit eine Unterstützungskampagne für das Zukunftsprogramm der Bundesregierung, also die Rentenreform und das Sparpaket. Ist das eine Erfolg versprechende Strategie?

Das Programm ist eine Zukunftsinvestition. Wenn es greift – und davon bin ich überzeugt –, werden die Bürger die SPD wieder stärker unterstützen. Aber im Augenblick überwiegt noch eine gewisse Skepsis, zumal das Programm in der SPD nicht einhellig unterstützt wird.

Wie kann die SPD noch eine Stimmung für einen Regierungswechsel erzeugen?

Der Bürger ist am ehesten zu überzeugen, wenn man auf konkrete Erfolge hinwiesen kann. Die SPD müsste ihre Leistungen in der Großen Koalition in den Vordergrund stellen, vor allem die Leistungen von Finanzsenatorin Fugmann-Heesing. Die Erfolge werden nicht ordentlich unter die Leute gebracht.

Ein weiteres Thema, aus dem sich sehr viel mehr machen ließe, wäre der Anteil, den die SPD an der Gestaltung der Hauptstadt und des Regierungsviertels hat.

Interview: Dorothee Winden