: Eine heiße Premiere
Ein Erdwärmekraftwerk bei Basel soll europaweit erstmals Heizenergie und Strom gleichzeitig liefern ■ Von Pieter Poldervaart
Basel (taz) – Recht bescheiden sieht er aus, der gerade 14 Meter hohe Bohrturm an der deutsch-schweizerischen Grenze unweit von Basel. Doch die Anlage genügt, um bis in eine Tiefe von gut 1.200 Meter vorzustoßen. Erst dann wird der Bohrer durch eine größeren ersetzt, mit dem das kristalline Gestein bis in 2.000 Meter Tiefe angebohrt wird. „Haben wir diese Schicht erreicht, dringen wir noch rund 200 Meter weiter ein, um mehr über die Formation zu erfahren“, erklärt Markus O. Häring, Delegierter des Verwaltungsrats einer Firma, deren Namen verdächtig nach Ölboom klinkt: „Geothermal Explorers Ltd.“.
Doch hart an der deutschen Grenze geht es nicht um Erdöl – wohl aber um Energie. Genauer: um „Deep Heat Mining“, also dem Fördern von Hitze aus der Tiefe. Und das Besondere am Basler Projekt ist die Tatsache, dass die Energie aus dem Erdinnern nicht bloß für Wärme, sondern auch für Strom genutzt werden soll.
In Punkto Geothermie liegt die Schweiz weit vorne: Die über 20.000 installierten Erdwärmesonden, weltweit die höchste Dichte, werden mit Wärmepumpenheizungen gekoppelt und können so bis zu drei Viertel des Wärmebedarfs einsparen. Die Baseler Erkundungsbohrung soll zu einer Premiere führen: Europaweit würden damit erstmals Erdhitze für die ökonomisch profitable Wärme- und Stromerzeugung gleichermaßen genutzt. Bislang gibt es nur eine kleine, von der Europäische Union geförderte Demonstrationsanlage bei Straßburg.
Der Meissel, der sich bei Basel seit zwei Wochen stündlich einen Meter tiefer ins Gestein frisst, soll eine Erkundungsröhre von gut 20 Zentimetern Durchmesser freilegen, eine „Horchbohrung“ im Fachjargon. Mit sensiblen Instrumenten können Härings Mitarbeiter dann prognostizieren, ob der Untergrund tatsächlich geeignet ist für ein Verfahren, das „Dry Heat Rock“ (DHR) genannt wird. Dabei nützt man die Tatsache aus, dass pro hundert Meter Tiefe die Temperatur um drei Grad Celsius ansteigt.
Bohrt man 5.000 Meter tief, so sollte man also auf Temperaturen von über 150 Grad kommen. Weil dort kein Wasser vorhanden ist, sondern nur „trockener, heißer Stein“, kommt Teil zwei zur Anwendung.
Um die Wärme von tief unten an die Erdoberfläche zu transportieren, kopieren die Ingenieure das Prinzip des Durchlauferhitzers: Kaltes Wasser wird in die rissige, heiße Felsmasse gepumpt, wo es sich aufwärmt und früher oder später keinen Platz mehr findet. Dann entweicht es wieder nach oben. An der Erdoberfläche dann wird der heiße Wasserdampf erfasst und auf eine Turbine geleitet, die Strom erzeugt. Die Restwärme gibt man ins Fernwärmenetz. Das definitive Kraftwerk soll voraussichtlich ebenfalls auf dem Boden der Stadt Basel entstehen.
„Die Vorbereitungen für das Pilotprojekt laufen auf Hochtouren und parallel zur Sondierbohrung“, erklärte Heinrich Schwendener, Leiter Marketing und Vertrieb bei den Baseler Stadtwerken (Industrielle Werke Basel, IWB). Da die Anlage das Wasser in einem Kreislauf immer wieder einspeist, sollte ihr Betrieb praktisch emissionsfrei verlaufen. Auch das Grundwasser wird nicht in Mitleidenschaft gezogen, denn der Bohrkern wird in der entsprechenden Zone mit einem Zementmantel gesichert.
Überzeugt die Sondierbohrung, könnte das Pilotprojekt im kommenden Jahr in die Feinplanung gehen und ab dem Jahr 2006 Strom und Wärme liefern. Mit einer Leistung von 20 Megawatt thermisch und drei Megawatt elektrisch lässt sich damit der Bedarf von 5.000 Haushaltungen decken.
So weit, so gut – wer die Investitionen von geschätzten 60 bis 70 Millionen Franken bezahlen soll, ist freilich noch unklar. Neben der öffentlichen Hand hofft man auch auf jene Industrie, die in Zukunft die Technologie anbieten könnte. Und die Bevölkerung werde die Energie schon kaufen, meint Heinrich Schwendener von den IWB, denn umweltfreundliche Energieerzeugung habe bereits einen guten Namen in Basel. Außerdem soll sich die neue Methode rechnen.
Die Fachleute schätzen, dass das Basler Geothermie-Kraftwerk durchaus konkurrenzfähige Porduktionskosten von 10 bis 45 Rappen pro Kilowattstunde erwirtschaften kann.
Basel-Stadt ist mit der Sondierbohrung Pionier im schweizerischen „Deep Heat Mining“. Die Standortwahl hat mehrere Ursachen. Zum einen verfügt Basel über das größte Fernwärmenetz des Landes, was Voraussetzung für die wirtschaftliche Nutzung der geförderten Wärme ist. Dann gibt es politisch-finanzielle Gründe, denn der Kanton steuert für die Sondierbohrung aus der Strom-Förderabgabe eine halbe Million Franken bei, eine weitere Million kommen von den IWB, 400.000 Franken zahlt das Aktionsprogramm Energie 2000 des Bundes. Schließlich eignet sich die Nordwestschweiz auch aus geologischer Sicht vorzüglich.
Die durch den Rheingraben entstandenen Klüfte führen im Erdinnern zu höheren Temperaturen als andernorts. Doch Basel soll kein Einzelfall bleiben, meint Häring: „Funktioniert das Basler Erdwärmekraftwerk, sind ähnliche Anlagen praktisch überall in der Schweiz möglich und wirtschaftlich sinnvoll.“
Kommt die Geothermie, könnte auch die Schweizer Maschinenindustrie profitieren. Sowohl die Bohrtechnologie als auch die Installationen an der Oberfläche, also Stromerzeugung, Fernwärmenetze und Heizzentralen, gehören zum Sortiment von Sulzer, ABB und Konsorten.
Dass erst jetzt diese neue unerschöpfliche Energiequelle angezapft wird, erklärt Martin Brunner, Bereichsleiter Geothermie im Bundesamt für Energie, mit massiven Fortschritten in der Bohrtechnik: „Erst seit ein paar Jahren hat man Sicherheit darüber, was die Erschließung der heißen Zonen betrifft.“
Wirtschaftlich attraktiv ist die Hitze im Innern des Globus zudem deshalb, weil sie nicht wie Windkraft und Sonne vom Wetter abhängt, sondern rund um die Uhr und während des ganzen Jahrs zur Verfügung steht.
Die Bevölkerung wird das neue Energieangebot nutzen – Fachleute rechnen mit konkurrenzfähigen Preisen
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