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Reizend, die Damen!

■ „Prösterchen“: Die drei Präsidentinnen sangen, soffen und strippten höchstvergnüglich im Jungen Theater

Vollbusig, volldämlich und vollhässlich. Zudem dauergeil, katholisch bis zur Halskrause und extrem analfixiert – wer diese Attribute perfekt in sich vereint, gerät nicht in Vergessenheit. Und so musste es wohl kommen: Die drei „Präsidentinnen“, Hauptfiguren aus dem gleichnamigen grotesken Erfolgstheaterstück von Werner Schwab, kehrten an die Stätte ihres Erfolges zurück und präsentierten im Jungen Theater „Prösterchen“, einen lustigen Liederabend mit Hausmusik.

„Prösterchen“ beginnt dort, wo „Die Präsidentinnen“ aufhörten. Erna (Marion Freundorfer) und Grete (Nomena Struß) haben soeben Mariedl (Liz Hencke) mit vereinten Kräften enthauptet, sind aber nun darüber etwas traurig gestimmt und singen zur eigenen Aufheiterung das immergrüne Saufliedchen „Immer wenn ich traurig bin, trink' ich einen Korn“. Die Stimmung steigt. Nicht einmal die tote Mariedl bleibt davon unberührt, legt die Schüssel mit ihrem abgetrennten Kopf zur Seite und schmettert höchst lebendig „I will survive“ ins Publikum.

Das „Waldheim Trio“, bestehend aus dem mit widerlichen Essmanieren ausgestatteten Jan Fritsch und Alexander Seemann, dessen Schwäche für Sex mit üppigst ausgestatteten Damen während der Show offenbar wird, bearbeiten Banjo, Synthesizer und allerlei Blasgerät und entlocken so ihrem Instrumentenpark je nach Bedarf allseits bekannte Schlager-, Rock- und Volksmusikweisen. Dazu kräht, brüllt und trällert sich das Damentrio um das bisschen Verstand, das vom ausufernden Alkoholkonsum noch unberührt geblieben ist. Wer in dieser hinreißenden Show Sinn, Struktur, ja auch nur den Ansatz eines blassroten Fadens sucht, vergeudet unnötig Zeit. Aus dem Nichts zaubern die drei Grotesken immer wieder einen passenden Song hervor, präsentieren eine umwerfende Dialektversion des AC/DC-Klassikers „TNT“ mit Namen „Kurz vorm Platzen“ und allerlei erschütterndes feministisches Liedgut, garniert mit Steppeinlagen und der ein oder anderen netten Schlägerei.

Als Blockflötenversion, so weiß man nach diesem Abend nun, wird selbst der abgenudelte ABBA-Hit „Dancing Queen“ zum Genuss. Damit nicht genug. Ein atemberaubender Striptease, bei dem die vollbusige, speckfaltige und orangenhautige Grete all das nur mühsam von einem zum Bersten angespannten schwarzen Slip Zusammengehaltene zeigt, was nie einer sehen wollte, mutiert zu einem der Höhepunkte an diesem an schwachsinnigen Höhepunkten wahrlich nicht armen Abend.

Nach anderthalb wüsten Stunden haucht die allerliebst grimassierende, damenbärtige Liz Hencke noch ein schmachtendes “What a wonderful world“ ins Mikro. Ergriffenheit breitet sich im ZuschauerInnenraum aus, Emotionen bahnen sich unkontrolliert ihren Weg, entladen sich im heftigsten Applaus. Und hätte man sicher sein können, es unbeschadet zu überstehen, wie gerne hätte man sich den drei wundervoll neurotischen Damen allen Busenbergen zum Trotz an den Hals geworfen. What a wonderful Abend. Prösterchen!

Franco Zotta

Aufführungen von „Prösterchen“: 20., 21., 27. und 28.8., 20.30 Uhr, Junges Theater; „Die Präsidentinnen“: 14., 18. und 25. August, 20.30 Uhr.

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