piwik no script img

Purer Antisemitismus

■ Die „Protokolle der Weisen von Zion“ sind jetzt erstmals in Ungarn erschienen

Budapest (taz) – Die Veröffentlichung der „Protokolle der Weisen von Zion“ in Ungarn ist auf scharfen Protest der Jüdischen Gemeinde und auf Kritik bei Politikern und Verlegern gestoßen. Die antisemitische Hetzschrift, die einst von der zaristischen Geheimpolizei verbreitet wurde, erschien vor kurzem im Buchverlag „Flex“ und ist damit erstmals in ungarischer Sprache zugänglich. Die Jüdische Gemeinde hat in der vergangenen Woche gegen den Verlag Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet. In dieser Woche will die ungarische Staatsanwaltschaft über ein Strafverfahren gegen den Verlag und ein Verbot des Buches entscheiden.

Die „Protokolle der Weisen von Zion“ sind seit zwei Wochen auf dem ungarischen Buchmarkt und für 600 Forint (5 Mark) zu haben. Das Buch enthält lediglich den Verlagsnamen und eine ISBN-Nummer. Die Namen der Druckerei, des verantwortlichen Verlagsredakteurs und des Vorwortautoren sind nicht angegeben. Die meisten ungarischen Buchgroßhändler führen die Ausgabe nicht in ihrem Sortiment, auch in großen Budapester Buchläden liegt der Band nicht aus. Nach Angaben der liberalen ungarischen Tageszeitung Magyar Hirlap sind an einem Buchstand in Budapest bisher 140 Exemplare verkauft worden.

Anfang letzter Woche hatte zunächst der prominente Anwalt und Vorsteher der Jüdischen Gemeinde im mittelungarischen Nagyköeröes Anzeige gegen Unbekannt wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Antisemitismus erstattet. Der Zentralverband der Jüdischen Gemeinden Ungarns hat sich dem Ansinnen mittlerweile angeschlossen und fordert, dass eine Ausgabe der „Protokolle der Weisen von Zion“ erscheint, in der über die Entstehung und die Hintergründe der antisemitischen Hetzschrift aufgeklärt wird. Der beim ungarischen Kulturministerium für religiöse Fragen zuständige Staatssekretär Zsolt Semjen unterstützte diese Forderung am vergangenen Freitag in einer Stellungnahme des Ministeriums. Semjen sprach sich darin gegen das Erscheinen von Schriften aus, die Religionsgemeinschaften und die Gefühle von deren Angehörigen verletzen.

Auch der Verband der Ungarischen Verleger und Buchhändler (MKKE) will in dieser Woche Anzeige gegen den Flex-Verlag und den Vertreiber der „Protokolle der Weisen von Zion“ erstatten. Ein Vertreter des Flex-Buchverlages hatte gegenüber der ungarischen Presseagentur MTI vergangene Woche erklärt, die Veröffentlichung der „Protokolle der Weisen von Zion“ diene lediglich der Information der Öffentlichkeit.

Keno Verseck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen