: Razzia: Vom Schutz der Informanten
■ Die Bremer Presserazzia im August 1996 war unrechtmässig – hat die Staatsanwaltschaft ihr Ziel dennoch erreicht?
Routinemäßiges Dienstags-Fax aus der Pressestelle des Senats: „Eine Senatspressekonferenz findet heute nicht statt. Wir bitten um Kenntnisnahme.“ Der Satz ist bekannt in Bremer Redaktionen und wiederholt sich fast jede Woche. Wer wissen will, worüber die Regierungscombo spricht, muss schon gezielt nachfragen. Oder darauf bauen, dass ein Behördenmensch von sich aus über interessante Entscheidungen plaudert.
Auf die zweite Strategie kann man in Bremen kaum setzen. Behördenmitarbeiter sind hier zugeknöpfter als in anderen Städten. In den Augen der Grünen hat sich das in den letzten drei Jahren, seit der sogenannten „Medien-Razzia“ im August 1996, noch verschlimmert: Damals fiel die Staatsanwaltschaft in sämtliche Bremer Redaktionsräume ein, um nach einem internen Rechnungshofbericht zu fahnden, der für Schlagzeilen gesorgt hatte. Ziel der Übung: Der Informant sollte aufgedeckt werden.
„Seitdem ist man in Behörden noch vorsichtiger geworden, was weitergegeben wird“, berichtet die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Helga Trüpel, „es hat eine Einschüchterung gegeben“. Und auch Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Rainer Oellerich-Boehme konstatiert, dass „die Auskunftsfreude von Behördenmitarbeitern gesunken ist“. Befragte Journalisten bei Buten & Binnen und Weser-Report sehen das allerdings nicht ganz so krass – wer ein guter Journalist sei, der bekäme nach wie vor interessante Papiere zugesteckt, sagt zum Beispiel Weser-Report Chefredakteur Axel Schuller.
Die Staatsanwaltschaft hat mit dem Beschluss vom Montag einen Rüffel vom Landgericht bekommen: Die Durchsuchungen waren rechtswidrig. Das gleiche Gericht hatte im Herbst 1996 noch ganz anders entschieden. Inzwischen hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Thematik beschäftigt, die Rechtsprechung hat sich verändert. Trotz des Beschlusses: Patient tot, Operation gelungen?
Wolfgang Schimmel arbeitet in der Rechtsabteilung des Hauptvorstandes der IG Medien in Stuttgart. „In solchen Fällen lässt sich nie ausschließen, das die Staatsanwaltschaft neben dem Ermittlungszweck auch den Einschüchterungszweck durchaus einkalkuliert, der mit einer solchen Durchsuchung immer verbunden ist“, sagt er. Mit der neuen Begründung des Bremer Landgerichts ist Schimmel nur bedingt zufrieden: Die Durchsuchungen werden jetzt als rechtswidrig angesehen, weil die Behördenchefs, in deren Bereichen die undichte Stelle vermutet wurden, nicht gefragt worden waren, ob gegen ihre Mitarbeiter ermittelt werden dürfe. Dass das Schweigerecht der Journalisten geschützt gehört, findet sich in dem neuen Beschluss nur insofern wieder, als dass eine besonders genaue Prüfung der Verhältnismäßigkeit solch heftiger Maßnahmen eingefordert wird.
Die Grünen fordern nun, dass Bürgermeister Henning Scherf sein Versprechen vom August 1996 einlösen soll: In der Bürgerschaft hatte er angekündigt, eine Bundesratsinitiative für einen „weiteren Schutz der Informanten, einen weiteren Schutz der Pressefreiheit“ anleiern zu wollen. Geschehen ist bisher nichts, monieren die Grünen.
Der Deutsche Journalisten-Verband, Landesverband Bremen, geht jetzt davon aus, „dass die Wiederholung eines derartigen Übergriffes der Strafverfolgungsbehörden auf Redaktions- und Privaträume von Pressemitarbeitern ausgeschlossen ist“. Generalstaatsanwalt Hans Janknecht und der Leiter der Staatsanwaltschaft Bremen, Jan Frischmuth könnten sich ein ähnliches Vorgehen dank des neuen Gerichtsbeschlusses „nicht mehr erlauben“. Christoph Dowe
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