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Für Tennis Borussia zählt nur der Aufstieg

■ Berlins Fußball-Zweitligist trifft heute im Mommsenstadion auf den Karlsruher SC, den Ex-Verein von Trainer Schäfer. TeBe hat elf Millionen Mark in sieben Spieler aus der 1. Bundesliga investiert. Motivations-Coach soll die Borussen mental stärken

Die Reservespieler murren bereits, weil sie wissen, dass zu ihrem Grundgehalt keine Siegprämie hinzukommen wird

Viel Feind, viel Ehr, denkt Winfried Schäfer und freut sich schon auf den heutigen Gegner im Mommsenstadion. Zu Gast ist der Karlsruher SC, brisanterweise der frühere Arbeitgeber des Fußball-Trainers von Tennis Borussia. Nicht, dass Schäfer als besonders rachsüchtiger Mensch gilt, der es seinem einstigen Klub, bei dem er über ein Jahrzehnt bis zu seiner Entlassung im Frühjahr 1998 wahrlich Großes vollbrachte, noch mal so richtig heimzahlen will. „Da ist mittlerweile viel Normalität eingekehrt.“

Nein, Schäfers gegenwärtiger Brötchengeber aus Charlottenburg erwartet Siege in Serie – vor allem in Heimspielen –, um den bereits letzte Saison mit aller Finanzkraft anvisierten Sprung in die Bundesliga im Sommer 2000 zu schaffen. „Alles andere als der Aufstieg zählt für uns nicht“, sagt Schäfer.

Die Borussen wähnen sich gut gewappnet. Elf Millionen Mark konnte der Coach in sieben neue Spieler aus der 1. Bundesliga investieren, rund die Hälfte dessen, was die restlichen 17 Klubs der 2. Liga insgesamt auf dem Transfermarkt für Verstärkungen ausgaben. TeBe-Sponsor „Göttinger Gruppe“, ein reüssierendes, aber nicht unumstrittenes Finanzunternehmen aus Niedersachsen, las dem „wilden Winnie“ fast jeden Wunsch von den Augen ab.

Sogar einen Motivations-Coach spendierte der Verein seinem Übungsleiter: Thorsten Volmer, der sich selbst „Erfolgstrainer“ nennt, obwohl sich Schäfer gern exklusiv mit diesem Lorbeer schmücken würde, soll die Borussen mental stärken. „Warum seid ihr hier, was wollt ihr bei TeBe erreichen“, will Volmer („Stärke ist abrufbar“) zweimal pro Woche jeweils drei Stunden lang in der Spieler-Selbsthilfegruppe wissen. Die Antwort auf dem Rasen fiel zunächst überzeugend aus. Zwei Tage nach Volmers Einstieg, am Vorsonntag beim Saisonauftakt im Niedersachsenstadion, siegten die als „Millionärstruppe“ verspotteten Berliner Zweitliga-Kicker bei Erzrivale Hannover mit 3:2.

„Selbstvertrauen ist jetzt mein Hobby“, meint scherzhaft Rechtsaußen Ansgar Brinkmann, bei dem die „Psychokur“ offensichtlich ihre Wirkung gezeigt hat. Auch Schäfer fühlt sich vor dem Karlsruhe-Spiel bestätigt: „Von wegen Millionärsmentalität, das war echter Siegeswille.“

Heute soll also Karlsruhe zur mental gestählten, breiten Borussenbrust genommen werden. Leider scheinen die Stärkungskurse überwiegend nur bei Stammspielern zu wirken. Die Reserve murrt, wohl wissend, dass zum Grundgehalt keine Siegprämie hinzukommt. Als erster äußerte der Vorjahreskapitän Jens Melzig, der in Hannover 90 Minuten lang die harte Ersatzbank drücken musste, sein Unbehagen. Auch Zbigniew Szewczyk, wieselflinker Linksaußen aus Polen, mag sich mit seiner Ersatzrolle nicht abfinden. Doch Schäfer setzte ihm jetzt auch noch Thomas Richter, einen bei 1860 München aussortierten Linksfuß, vor die Nase, der bei TeBe zur Probe mittrainiert. Der Tunesier Fahed Dermech und Toni Micevski aus Makedonien bekamen von Winfried Schäfer zu Saisonbeginn sogar signalisiert, sich schnellstmöglich einen neuen Verein zu suchen.

Konkurrenz belebt das Geschäft, sie kann aber auch die Beine lähmen. Schäfer ahnt, „dass es immer Konflikte geben wird“, die er als Trainer auszufechten hat. „Jeder Spieler muss wissen“, beschwört der Musterangestellte die corporate identity, „dass wir nur ein Ziel haben: den Aufstieg in die Bundesliga.“ Auflösungserscheinungen im fast 30 Mann starken Kader, der im Vorjahr heillos zerstritten den durchaus möglichen Aufstieg verschenkte, soll auch der neue Spielführer Uwe Rösler frühzeitig unterbinden helfen. „Teamgeist ist alles“, predigt Schäfers Leitwolf, der den teamspirit vier Jahre lang bei Manchester City in England einatmete. Aber auch gegen Karlsruhe werden höchstens 14 Leute die ganze Kohle einsacken können. Der Rest ballt klammheimlich die Faust auf der Tribüne. Jürgen Schulz

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