piwik no script img

Eine schnell gebastelte Welt

■  Drei Weihnachten haben sie verpasst. Nun hoffen die Pay-TV-Strategen aufs vierte

Wen würde nicht locken, was Ferdinand Kayser ankündigt: „echter Mehrwert“, und das für angeblich wenig Geld? Das verspricht der Mann für den 1. Oktober, wenn die Premiere World sich im Bildschirm drehen soll. Premiere World ist das Nachfolgeangebot der unterschiedlich erfolglosen Pay-TV Sender DF 1 und Premiere. Und Ferdinand Kayser von Bertelsmann ist dort noch Geschäftsführer, obwohl die Kirch-Gruppe das jahrelange Streitobjekt zwischen beiden Konzernen im Frühjahr bis auf einen Rest von fünf Prozent übernommen hat.

Mit Premiere World, dessen Programm und „brandneues Konzept“ am Freitag in Hamburg vorgestellt wurden, sollen die Zeiten des Streits endültig vergessen sein. Nun soll endlich der Durchbruch im digitalen Pay-TV Markt gelingen. Dreimal wollten die Pay-TV-Strategen bei Bertelsmann und Kirch mit digitalem Bezahl-TV zum Weihnachtsgeschäft das deutsche Fernsehen revolutionieren, dreimal sind sie gescheitert: Aneinander, an den Kartellwächtern, am eigenen Unvermögen und immer wieder am Desinteresse der Zuschauer. Nur etwa 2 Millionen Kunden konnten DF 1 und Premiere zusammengenommen vorweisen – und rund Dreiviertel davon gucken nicht digital, sondern das klassische Analogangebot von Premiere. Schuld an dem Zögern der Kunden sollen die Querelen gewesen sein. Mit der Übernahme durch Kirch sei „die Verunsicherung des Marktes beendet“, glaubt Markus Tellenbach, der für Kirch die Pay-TV-Geschäfte führt. Das bedeutet natürlich auch, dass vorerst keinerlei Konkurrenz mehr das Geschäft belebt.

Wiederholt beteuerte Tellenbach bei der Pressekonferenz: „Wer glaubt, Premiere World stehe lediglich für die Addition zweier Sender und ihrer Programme, der macht es sich zu leicht.“ Gezeigt wurde allerdings genau das: Premiere World ist eine schnell und wenig übersichtlich zusammengebastelte Mischung aus dem, was bei DF 1 und Premiere bislang schon zu wenige Kunden begeisterte. Filme wird es geben, 400 deutsche Erstausstrahlungen im Jahr, Sport, Sexfilme, 30 Spartenkanäle von Angeln bis Trickfilm und 20 Kanäle für sogenannte Pay-per-view-Filme, für die man zusätzlich zur Abogebühr noch einmal zahlen darf. Wie und warum einzelne Filme welchem Kanal zugeordnet werden, was wie von Kanal zu Kanal hin und her geschoben wird, bleibt ebenso verworren wie die Unterscheidung der einzelnen Sparten im „Family Programm“. Für „Your personal TV“, so der Reklameslogan, wird man auf jeden Fall auch einen persönlichen Durchblicker-Lehrgang brauchen. Eher kann man bei dem Durcheinander auf die Idee kommen, dass es eine klare Unterscheidung auch deshalb nicht gibt, damit in alter DF-1-Manier möglichst viele Kanäle aufgelistet werden können.

Und der Mehrwert? 1.000 Sport-Live-Übertragungen im Jahr, verspricht Sportchef Carsten Schmidt. Darunter befinden sich (wie bisher) die sogenannten Topspiele der Fußball-Bundesliga, (wie bisher auf DF 1) die Formel Eins, deren Saison endet, kurz nachdem der neue Sender on air geht, und (wie bisher auf Premiere) Tennis, das ohne Steffi und ohne Boris vielleicht auch nicht mehr ganz so attraktiv ist. Trotzdem bleibt das Sportprogramm neben den Filmpremieren das am einzige ernstzunehmende Mehrwertangebot.

Leider kann man das Sportpaket nicht einzeln abonnieren, sondern muss mindestens das Filmpaket dazu kaufen. Dann kostet der Spaß rund 60 Mark, inklusive Decodermiete, im „Superpaket“ mit Film und „Family“-Paket sogar 65 Mark. Warum jemand für die x-te Wiederholung von „Dallas“, „Alf“ oder gar „Starsky & Hutch“ im „Family“-Angebot, dem billigsten, auch immerhin noch 35 Mark locker machen soll, muss die mit 100 Millionen Mark großzügig budgetierte Marketingkampagne den potentiellen Abonnenten in den kommenden Wochen erst noch klarmachen.

Der Sender hofft, mit dieser Investition bis zum Jahresende 2000 etwa 2,9 Millionen Abonnenten an sich zu binden und bis 2001 rund 3,5 Millionen. Die Gewinnzone will man nach Gesamtinvestitionen von 1,7 Milliarden Mark im Jahr 2002 erreichen. Etwa 2,4 Milliarden Mark Verluste musste die Kirch-Gruppe im Pay-TV-Geschäft bereits abschreiben. Da ist klar, dass sie nun auf Mehrwert hofft. Katrin Viertel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen