: Herr Hefele kriegt zwei Minuten
■ Albert Hefele
Aufstieg – im sportlichen Sinne –, das ist, wie in eine neue Frau verliebt zu sein. Man saugt die Wohnung, bevor sie kommt, man spült ab, man macht Liegestützte und prüft den Sitz der Haarfrisur im Spiegel: mausgraue Fäden über dem dürren Schädelchen. Igitt. Man schmiert sich Gel in den Schopf und überlegt, ob man sich nicht doch dieses neue Shampoo zulegen sollte, mit dem die Haare ihre alte Farbe wiederkriegen. Ähnliches tun Aufsteiger, wenn die neue Braut „Bundesliga“ vor der Tür steht.
Aufstieg, das ist, wie in eine neue Frau verliebt zu sein. Ulm ist gerade sehr verliebt.
Zum Beispiel die „Spatzen“ aus Ulm. Ich weiß das, denn ich wohne in der Gegend. Also die Ulmer: möchten am liebsten ein ganz neues Stadion für – geschätzt – 80.000 Zuschauer, haben es aber bisher bei einer Zusatztribüne aus Stahlrohr bewenden lassen. Und: sind saumäßig stolz auf ihr Nichtraucherabteil. Das hat sonst keiner. Man weiß auch nicht so recht, zu was der Bereich eigentlich gut sein soll, aber irgendwas mit Umwelt und Gesundheit wird es schon zu tun haben. Dafür ist die angebotene Rotwurst nachvollziehbar in Ordnung und geschlitzt wie nur irgendwas, und das Bier schäumt in Bechern, auf denen die Pokalmannschaft von vor zwei Jahren zu sehen ist. Weggeworfen wird nichts, weil die Ulmer schließlich auch noch Schwaben sind. Deswegen sind sie nicht nur sparsam, wie der neue Pressebereich zeigt. Der sich früher bekanntlich im jetzigen Fitnessraum befand. Die Pressekonferenzen finden nun im ehemaligen VIP-Container statt, der jetzt der Pressebereich ist. Das ist etwas verwirrend, aber gut gemeint, und wer hier beruflich zu tun hat, dem fehlt es an nichts. Die Damen und Herren vom Service tun mit vor Eifer geröteten Wangen und sichtlich ehrenamtlich ihre Pflicht. Das ist schön. Mit solcher Emphase wird man in alten Bundesligastadien nicht versorgt.
Denken Sie an die Geschichte mit der neuen Frau. Noch ist die Braut Bundesliga makellos und engelsgleich und Sensation in jeder Hautfalte, und entsprechend zärtlich tätschelt man sie und beschnüffelt ihre Samtwangen. Aber: Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe! Nein, das muss nicht sein. Es kann auch alles gut gehen.
Weiter: Auch die VIPs (wir erinnern uns: früher im Container beheimatet) haben eine neue Bleibe. Wie es bei denen genau aussieht, kann ich nicht sagen, weil ich kein VIP bin. Früher eine große Blechkiste, nun – von außerhalb der Absperrung noch zu erkennen – ein kühn geschwungenes Zelt. So in der Art wie das Olympiastadion in München, bloß viel kleiner. Wenn man eifrig genug über die Absperrung äugt, sieht man Leute davor sitzen oder hineingehen oder herauskommen, und – Sie: die haben sehr oft Ähnlichkeit mit Waldemar Hartmann. Wissen Sie, was ich meine? Die kompakte Erscheinung. Haare fesch nach hinten geföhnt, Folklorewesten oder trachtenähnliche „Sakki“ (P. Unfried) bzw. Landhausblusen. Dann lange und eine Idee zu große Lederhosen (man kann ja nie wissen) mit alpenländischen Applikationen – oder tief hängende Designerjeans zum Polohemd oder Leinenhosen zu den Bommelslippern. Immer eine Hand im Hosensackl, von Schnauzbärten wollen wir gar nicht reden.
Schön braun sollte man schon auch sein (siehe Waldemar H., auch Beckenbauer f.) und während des Gespräches mit anderen VIPs mit der freien – der sich nicht im Sackl befindlichen – Hand souveräne Gesten absolvieren. Wie die genau aussehen? Schwer zu sagen, vielleicht so in der Art, als wolle man die vor einem sich stauende Luft in horizontaler Richtung umwälzen. Als wolle man irgendwas vorwärtstreiben, irgendwas von einem unsichtbaren Baum pflücken. Bedeutsam halt. Der VIP-Bereich ist jedenfalls schon mal toll in Schuss und absolut bundesligatauglich. Im Gegensatz zur Anzeigentafel, die die Ausmaße eines größeren TV-Gerätes hat und von älteren Stadionbesuchern so grade noch und vom VIP-Bereich aus schon gar nicht mehr zu erkennen ist. Das muss geändert werden.
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