■ Standbild: Verdümpelte Chance
„ARD-Exclusiv: Wenn Urlaub zum Alptraum wird – Ein Segelboot in Not“, Fr., 21.45 Uhr, ARD
Eigentlich sollte diese ARD-Exclusiv-Reportage die Geschichte einer Schiffsüberführung von den Azoren nach Lissabon erzählen: einer Fahrt auf einem 21 Jahre alten Segelboot mit nur einem Profi an Bord, dem Skipper, und außerdem sieben Urlaubsseglern, die von Booten keine Ahnung haben. Eine Geschichte von Urlaubserwartung und Abenteuerlust, von Gewinnerwartung und Termindruck.
Es hakte jedoch an allen Ecken: Zu unüberbrückbar war von Anfang an der Gegensatz zwischen Hoffnung und Wirklichkeit. So erklärt der Agentureigner, dass eine Überfahrt mit einem so alten und verrotteten Boot „nach Ärger riecht“. Der Skipper erwartet, dass Reisende ohne Segelerfahrung als Hilfsmatrosen gar nicht erst angeheuert werden. An Bord plaudert die Hilfscrew dann aus, dass sie zum Teil noch nie gesegelt ist und sich einen ruhigen Törn wünscht. Die Überfahrt wird denn auch entsprechend schwierig: erst Flaute, dann Sturm, dann Motor und Segel kaputt, der Diesel alle und das Wasser knapp, schließlich Rettung in letzter Minute.
Die Kamera fängt geduldig ein, wie das Lächeln der ängstlichen Landratten immer steinerner wird, gibt sich alle Mühe, ausführlich zu vermitteln, wie es aussieht, wenn von einem schaukeligen Boot aus rundherum nur Wasser zu sehen ist. Das war nicht reißerisch erzählt, aber eben leider auch nicht mitreißend. Vielleicht lag es daran, dass bis zum Schluss nicht klar wurde, ob das Filmteam zufällig an Bord war und dann eine unerwartet abenteuerliche Reise miterlebte, oder ob die Szenen an Bord nachgestellt waren. Die Menschen, um die es ging, bleiben weit entfernt, die unerschütterliche Ruhe des Skippers wiegte den Zuschauer in allzu großer Sicherheit, dass schon alles gut gehen werde. Schade, dass die Chance, eine Grad-noch-mal-gut-gegangen-Reportage mit Mitteln jenseits von „Notruf“ und „Echt wahr“ realisiert zu sehen, trotz stürmischer See vobeidümpelte. Katrin Viertel
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