: Schäuble und Merkel entdecken den Rundumschlag
■ Die CDU protestiert mit den einfachen Leuten gegen die rot-grünen Rentenpläne
Berlin (taz) – Man ist ja immer wieder geneigt, Politiker beim Wort zu nehmen. Vor allem, wenn sie zum Volk sprechen. Beim zweiten bundesweiten Aktionstag der CDU – erst ging es gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, jetzt gegen die rot-grünen Rentenpläne – zogen Generalsekretärin Angela Merkel und Parteichef Wolfgang Schäuble mächtig vom Leder. Bei der zentralen Veranstaltung am Sonnabend in Berlin eröffneten sie den Rentnern und solchen, die es werden wollen, was die jetzige Regierung in ihrer Sache getan hat: Sie hat gelogen und betrogen, und sie wird es wieder tun.
Daß die Rente lediglich für zwei Jahre vom Nettolohn abgekoppelt werden soll – Lug und Trug. Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Sozialdemokraten stehen für Wortbruch, und die Schlichen ihrer „Willkürherrschaft“ kennt Schäuble von zu Hause: „Ich sag zu meiner Frau auch immer: Nur dieses eine Mal! Und dann tu ich's immer wieder.“ Doch die kleinen Fluchten des Privatmanns schaden nicht dem Volk – als Politiker hält er selbstverständlich Wort.
Aktionstage leben vom Rundumschlag, und den hat die CDU als Oppositionspartei neu entdeckt. Kurz vor den Landtagswahlen im Saarland und in Brandenburg holen die Christdemokraten die Bürger mit ihren Sorgen auf der Straße ab, dort, wo die politischen Kategorien naturgemäß in einige Verwirrung geraten. Für die schmalen Rente sind ja so viele verantwortlich, eigentlich alle – ausgenommen die CDU. Die SPD ist schuld, die Ausländer sind schuld, die Beamten sind schuld. Ja, die Beamten. „Keinen Pfennig haben die einbezahlt“, weiß eine ehemalige Kellnerin, und beziehen dafür heute „fette Renten“.
Sofort hebt die auf Großbildleinwand verdoppelte Angela Merkel den Finger: Nicht neidisch sein! Nicht schimpfen auf die lieben Mitrentner! Lieber alles auf die SPD. Wolfgang Schäuble macht es vor: Gerhard Schröder sei nicht nur ein „Rentenlügner“, sondern auch noch ein „Schuldenmacher“, ein „Blockierer“ und ein „Brandstifter“. Was dem Mann fehlte, seien „ein paar Schläge auf den Hinterkopf“. So drückt sich der CDU-Parteichef heute aus, wenn er Wahlniederlagen meint. Und die Rentner? Die können auch etwas tun. Sie klatschen und lutschen CDU-Bonbons. Rache ist süß.
Weil trotzdem noch ein paar Fragen offen sind, geht Angela Merkel mit dem Moderator durch die Reihen. Dort begegnet sie Rentnerschicksalen, zum Beispiel dem von Herrn Alt aus Kreuzberg. Herr Alt hat 40 Jahre geschuftet und sieht heute mit 1.200 Mark Rente im Monat ganz schön alt aus. Aus Frust hat der hagere Mann neulich beim Amt nachgefragt, „aber die haben gesagt, ich bekomme nicht mehr“.
Merkel muß dem Amt Recht geben – leider. Ob das wohl die SPD verbockt hat? Vielleicht sind an Herrn Alts Misere aber auch die Ausländer schuld, schließlich wohnt Herr Alt in Kreuzberg. Egal – von der CDU bekommt der betrogene Rentner ein hübsches Portemonnaie. „Da können Sie Ihre Rente reintun,“ entfährt es dem Moderator. Die CDU weiß eben immer Rat.
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