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Der jähe Sturz des Kandidaten

Die SPD rückt vom Kölner OB-Kandidaten Klaus Heugel wegen dessen Insidergeschäften ab. Sie will zur Wahl der Grünen Anna Lütkes aufrufen   ■  Von Pascal Beucker

Köln (taz) – Das Ultimatum lief: Hätte Klaus Heugel nicht bis heute 12.00 Uhr, seine Beurlaubung als Kölner Oberstadtdirektor beantragt, wäre er von der Ratsmehrheit von CDU und Grünen noch vor den Kommunalwahlen in zwei Wochen gezwungen worden, seine Amtsgeschäfte ruhen zu lassen. Am Samstag hat Heugel dem Druck nachgegeben. Um „das Gesetz des Handelns“ in der Hand zu behalten, erklärte er.

Noch am Freitag hatte der 63-Jährige einen solchen Schritt kategorisch abgelehnt. Seine Kandidatur für das Oberbürgermeisteramt will er hingegen nicht aufgeben. Im Gegenteil: „Ich werde alles versuchen, die SPD noch aus dem Tief zu ziehen.“ Ein wenig aussichtsreiches Unterfangen. Auf die Unterstützung seiner Partei muss der unter dem Verdacht unerlaubter Insidergeschäfte stehende Heugel verzichten.

Dabei war alles so gut geplant: Für den morgigen Dienstag hat die SPD zur „Kommunalpolitischen Konferenz“ nach Köln geladen. Gemeinsam mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Ministerpräsident Wolfgang Clement sollten sich alle Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunalwahlen am 12. September präsentieren. Der SPD-Oberbürgermeisterkandidat für die größte Stadt des Landes sollte medienwirksam die „Kölner Erklärung zur Kommunalpolitik“ der SPD vorstellen. Doch daraus wird nichts. Die SPD hat ihr Programm kurzfristig geändert: Die Erklärung wird nun die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann vorstellen. Heugel ist zur Persona non grata geworden. Mit dem vormaligen Hoffnungsträger der Domstadt-SPD wollen sich weder Schröder noch Clement gemeinsam zeigen.

Am Freitag durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft Heugels Privatwohnung und die Zentrale der Gas-und Elektrizitäts-Werke AG (GEW), um Belege für verbotene Insidergeschäfte des SPD-Frontmanns zu finden. Sie beschlagnahmten Kontoauszüge und Aufsichtsratsprotokolle. Der SPD-Frontmann hatte eingestehen müssen, als Aufsichtsratsvorsitzender der an dem Energietechnik-Unternehmen Felten & Guilleaume (F & G) beteiligten Kölner Stadtwerke im August 1998 300 Aktien des Traditionsunternehmens kurz vor dessen Verkauf an die Bonner Moeller-Gruppe erworben zu haben.

Inzwischen gerät auch Heugels erster F & G-Aktienkauf von 1997 ins Zwielicht. Anfang Juni 1997 nahm der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende im Kölner Rat an einer dreitägigen Studienfahrt des GEW-Aufsichtsrates zu Tochterfirmen von F & G in Österreich und Tschechien teil. Auf dieser Reise, so erinnert sich Aufsichtsratsmitglied Gerd Brust, „wurde irgendwann gesagt, dass wir Insider-Wissen erfahren hätten und dass wir das nicht nutzen dürften“. So habe der Aufsichtsrat seinerzeit erfahren, dass die F & G-Aktie eindeutig unterbewertet sei. Unmittelbar nach seiner Rückkehr stockte Heugel sein Depot um rund 300 F & G-Aktien auf.

Auf der Stadtratssitzung am vergangenen Donnerstag hatte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Rüther noch demonstrativ hinter seinen Vorgänger gestellt und die Affäre als „mediale Inszenierung“ heruntergespielt. Zwar habe Heugel einen Fehler begangen, aber: „Solch ein Fehler kann jedem von uns passieren.“

Doch immer mehr Genossen rücken von ihrem Spitzenmann ab. Sie befürchten, von ihrem OB-Kandidaten mit in den Abgrund gerissen zu werden. Parteiintern wird bereits offen darüber diskutiert, zur Wahl der Grünen Anne Lütkes aufzurufen. Das Problem: Formal können die Sozialdemokraten ihren Kandidaten nicht mehr zurückziehen – die Fristen sind abgelaufen.

Anne Lütkes übt sich derweil in demonstrativer Gelassenheit. „Nun zählt es hoffentlich nicht länger zum Insiderwissen, dass unsere Kritik am Kölschen Klüngel mehr als gerechtfertigt ist“, kommentiert sie.

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